Markus Steinrisser
Formel 1 Ressort
Seit 2018 im F1-Team. Der Mann fürs Textliche. Nichts ist schöner als Action auf- und abseits der Strecke, fusioniert zum großen Feature.MEHR
Kurz träumte die Formel 1 vor einigen Monaten von einem beispiellosen Dream-Team. Nachdem Adrian Newey im April sein Ausscheiden als Technischer Leiter bei Red Bull bekanntgab, sahen ihn einige schon mit einem Fuß bei Ferrari und damit als Auto-Designer für das Fahrerduo Lewis Hamilton und Charles Leclerc. Doch vier Monate später sind es Aston Martin und Fernando Alonso, die zuletzt lachen.
“Ich war geschmeichelt von den vielen Teams, die mich angerufen haben”, räumt Newey bei seiner Vorstellung als “Managing Technical Partner” von Aston Martin ein. Auch wenn er nicht ins Detail gehen will: “Ich hatte Diskussionen mit manchen. Nicht mit allen. Letztendlich war es jedoch eine klare und natürliche Wahl.”
Stroll umgarnt Newey: Seit Jahren die Vision
Trotz guter Argumente, eben auch etwa die Chance einer Zusammenarbeit mit Lewis Hamilton, ging Ferrari als Verlierer vom Platz. Denn Aston Martin und Teameigentümer Lawrence Stroll fuhren die ganz schweren Geschütze auf. Man kannte sich schon länger – vor über drei Jahren hatte Stroll bereits einmal bei Newey angeklopft. War von dem aber abgewiesen worden.
Nicht so 2024. In den ersten Wochen, so räumt Newey ein, wurde ihm erst so richtig bewusst, dass er seines Red-Bull-Jobs langsam müde wurde. Am Suzuka-Wochenende entschloss er sich schließlich, ihn aufzugeben: “Da wusste ich wirklich nicht, was ich als nächstes machen würde, ich war völlig blank. Ich wollte erst einmal eine Bestandsaufnahme machen, eine kleine Pause.”
Kaum hatte Stroll die Nachricht gehört, rief er wieder an: “Ich glaube, das musste einfach sein. Adrian wird meine Vision teilen.” Newey ließ sich trotzdem erst einmal Zeit, wog in Rücksprache mit seiner Frau die Angebote ab. Im Juni arrangierte Stroll für ihn eine große Tour durch die neue Aston-Martin-Fabrik in Silverstone. Und er hatte noch ein Ass im Ärmel.
Aston-Martin-Boss zieht alle Register – und macht Newey zum Eigentümer
Die Fabrik allein sprach schon eine deutliche Sprache für Newey: “Es ist nicht leicht, eine brandneue Fabrik auf ein grünes Feld zu stellen und darin ein richtig nettes, kreatives Gefühl zu schaffen. Dafür sind wir letztendlich ja hier. Um kreativ zu sein, gute Lösungen zu finden, mit allen gut zu kommunizieren.”
Doch was Stroll noch zusätzlich bieten konnte, war etwas, mit dem etwa Ferrari nicht mithalten konnte. Nämlich ein Teil des Teams. “In dieser modernen Ära ist Lawrence einzigartig, denn er ist der einzige aktive Teameigentümer”, stellt Newey fest. “Es ist ein ganz anderes Gefühl, wenn jemand wie Lawrence beteiligt ist. Wie ein Oldschool-Modell.”
Sonst setzen F1-Teams heute eher darauf, dass Eigentümer im Hintergrund bleiben und Teamchefs die Geschäfte führen. Oder dass die Eigentumsverhältnisse breit gefächert werden. Bei Aston Martin hat Stroll die Kontrolle. Das ermöglichte es ihm, Newey nicht bloß Millionen anzubieten. Er konnte Teamanteile drauflegen. Ein sehr gutes Argument in einer Formel 1, in welcher ein Team wie Aston Martin inzwischen über eine Milliarde an Gesamt-Wert überschritten hat.
Dafür ist Newey ein Schnäppchen!
“Das wurde mir noch nie angeboten”, so Newey. “Es ist ein bisschen was anderes. Da freue ich mich sehr drauf. So wurde es eine sehr natürliche Entscheidung.” Stroll war nur zu gern bereit: “Ich kann euch sagen, Adrian ist ein Schnäppchen! 40 Jahre bin ich Geschäftsmann, und noch nie war ich mir so sicher. Wir haben nicht bloß in ihn investiert. Er ist Aktionär. Partner. Wir beabsichtigen, dass wir sehr lange zusammen sein werden.”
“Für das, was Adrian in die Partnerschaft bringt, ist er recht günstig”, glaubt Stroll. Offiziell ist Newey jetzt “Managing Technical Partner”. Unter sich hat er weiterhin den von Ferrari kommenden Enrico Cardile als Chief Technical Officer, und seinen ehemaligen Red-Bull-Kollegen Dan Fallows als Technischen Direktor.
Newey selbst soll die Richtung vorgeben. Wichtig für ein Team, welches 2023 kurz glaubte, zur Spitzenmannschaft aufzusteigen, doch 2024 Lehrgeld zahlen muss. Um nachhaltig an der Formel-1-Spitze zu kämpfen, braucht es noch um einiges mehr, selbst wenn man wie Aston Martin sogar schon die ganzen Anlagen nach modernsten Standards gebaut hat. Die nötige Struktur in die Technik-Abteilung zu bringen und die Einzelteile zusammenzufügen ist genauso Neweys Job.
Newey will Aston-Herausforderung: Nie zu Top-Teams gehen
Wie es das übrigens einst auch bei Red Bull der Fall war. “Das Team gab es schon davor, als Jaguar, aber sie waren glaube ich nie auf dem Podium, und nie besser als Siebte in der Konstrukteurs-WM – so verloren sie den Glauben daran, dass sie gewinnen konnten”, so Newey am Rande der Aston-Martin-Verkündung im ‘High Performance Podcast’. “Du fängst damit an, ihnen das Selbstvertrauen zu vermitteln, dass sie es können.”
Bei Red Bull unterschätzte er das einst, als er 2006 dort ankam. Inzwischen weiß er, wie er ein Team auf Siege trimmen will. Noch ohne Zeitrahmen: “Du musst reinkommen und mit den Leuten reden.” Aber auch diese Herausforderung war es, die ihn letztendlich davon überzeugte, zu Aston Martin zu gehen.
“Nie zu einem erfolgreichen Team wechseln”, lautet Neweys Prinzip nämlich. Das wandte er auch einst bei Williams und McLaren. Bei beiden dockte er an, als sie gerade eine Dürre erlebten. “Ich will dorthin, wo es sich anfühlt, als ob ich einen Unterschied machen kann, mit den Leuten arbeiten kann, und wo wir alle gemeinsam auf die Reise gehen.”
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