Christian Menath
Ressortleiter Formel 1
Schnüffelt gerne am Print-Magazin, gibt mit seiner bestandenen Steward-Prüfung an, hält lange Monologe, war einst gut im Mario Kart – und liebt die F1 bedingungslos.MEHR
Schlechter hätte der Formel-1-Einstand für Kimi Antonelli kaum laufen können: Schon nach zehn Minuten des 1. Freien Trainings flog der Mercedes-Junior in der Parabolica heftig ab. 45g wurden beim Einschlag gemessen, die gesamte rechte Fahrzeugseite hatte nur noch Schrottwert und George Russell musste ob des großen Schadens an seinem Auto um seine Teilnahme am 2. Freien Training zittern. Folgerichtig, dass sich der 18-Jährige direkt beim Team entschuldigte. “Das sollte man auch, wenn man ein Auto zurückbringt, das aussieht wie eine Legobox, die auf den Boden gefallen ist”, meint Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
Trotzdem war der Unfall seines Freitags- und wohl zukünftigen Stammfahrers für Wolff nur halb so wild. “Das war unglücklich, denn es war noch fast eine Stunde zu fahren und wir hätten noch eine gute Performance gesehen. Aber wir haben immer gesagt: Er ist ein Rookie und er ist sehr jung. Wir sind bereit, in seine Zukunft zu investieren. Diese Momente passieren und sie werden auch nächstes Jahr passieren, aber gleichzeitig wird es auch Highlights geben”, warb der Österreicher um Verständnis.
Für Antonelli war es erst die zweite gezeitete Runde, als er die Kontrolle über den Silberpfeil folgenschwer verlor. Schon im ersten Versuch zeigte der Italiener, dass er es ernst meinte: In 1:23,955 Minuten fuhr er sofort eine konkurrenzfähige Zeit, fuhr bis dahin deutlich schneller als alle anderen Piloten, selbst als Lewis Hamilton im zweiten Mercedes.
Wolff: Lieber schnelle Fahrer einbremsen
“Wir haben lieber ein Problem damit, einen Fahrer einbremsen zu müssen als ihn schneller zu machen. Denn das, was wir in seinen anderthalb Runden gesehen haben, war erstaunlich”, so Wolff. Dabei gehen die meisten Freitags-Fahrer übervorsichtig zu werke, schließlich lautete ihre Aufgabe, das Auto heil zu lassen und das Trainingsprogramm zu absolvieren.
Aber wie lautete Antonellis Aufgabenstellung? Sollte er der Formel-1-Welt zeigen, wozu er zu leisten im Stande ist? “Ich habe ihm gesagt, dass er es genießen soll”, so Wolff. “Er hat eine Menge Naturtalent und man darf nicht vergessen, dass das der beste Job der Welt ist. Ich wollte auch den Druck von ihm nehmen, denn wir leben in unserer kleinen Blase – abgesehen davon interessiert sich niemand für ein 1. Training, egal was passiert. Und das gleiche habe ich ihm dann nach der Session noch einmal gesagt.”
“Ich sehe die Schuld in den Umständen”, meint Wolff. “Er hat die Formel 3 übersprungen, er hat zuvor alles gewonnen. Dann wirst du Mercedes-Fahrer, fährst im 1. Freien Training und bist dann unter der Lupe, weil es in Monza passiert. Es ist schon eine Weile her, dass ein italienischer Fahrer bei einem Top-Team war. Das kann für einen 18-Jährigen viel sein. Diese Tage sind so schwierig, er fühlt sich sicherlich schrecklich. Aber das ist Teil der Entwicklungskurve.”
Trotz Crash: Antonelli-Beförderung steht bevor
Trotz des Unfalls darf sich Antonelli wohl demnächst über eine Beförderung freuen. Mercedes hat das zweite Cockpit für die Formel-1-Saison 2025 noch immer nicht offiziell vergeben, die Jagd auf Max Verstappen hat man aber aufgegeben. “Dass das FP1 schiefgegangen ist, ist kein Grund, sich für oder gegen einen Fahrer zu entscheiden. Das hat keinen Einfluss. Es ist wichtig, nach der Performance einzustellen”, stellt Wolff klar. “Wir treffen die Entscheidung völlig bewusst. In vollem Bewusstsein darüber, was passieren kann und was man erwarten kann – und wir managen die Erwartungen.” Mit einer offiziellen Verkündung wird noch in Monza gerechnet.
Die Pläne für Antonellis nächsten Formel-1-Einsatz sind noch nicht finalisiert, voraussichtlich wird er in Mexiko seine zweite Trainingschance bekommen. Einen früheren Einsatz, um den Monza-Crash abzuschütteln, hält Wolff nicht für nötig: “Ein starker Fahrer muss sich von solche Dingen erholen und muss mit dem Druck umgehen können. Wenn er eines Tages Weltmeister werden will, musst du damit umgehen können. Ich habe keinen Zweifel daran, dass er das kann und machen wird.”
Im Formel-2-Qualifying, das kurz nach dem Formel-1-Training stattfand, war Antonelli der Unfall schon nicht mehr anzumerken. Der Prema-Pilot qualifizierte sich auf Platz sechs und damit erneut vor Teamkollege Oliver Bearman, der schon seine zweite Saison in der Formel 2 fährt.
© Motorsport-Magazin
diese Formel 1 Nachricht