Markus Steinrisser
Formel 1 Ressort
Seit 2018 im F1-Team. Der Mann fürs Textliche. Nichts ist schöner als Action auf- und abseits der Strecke, fusioniert zum großen Feature.MEHR

Erst zum zweiten Mal in dieser Saison hat Lewis Hamilton in einem Grand-Prix-Qualifying Charles Leclerc geschlagen. Ein fünfter Startplatz im zuletzt so schwierigen Qualifying-Ferrari ist für Hamilton nach einem durchwachsenen Freitag ein guter Turnaround, und den feiert er auch gebührend. Während Leclerc die Reifen-Strategie selbst in die Hand nimmt, das Team überstimmt und sich auf P7 ins Abseits manövriert.
Denn in Q3 dürfte den meisten wohl schon aufgefallen sein: Leclerc fuhr nur eine schnelle Runde und stieg schon aus, während Hamilton und Co. am Ende noch mit zweiten Versuchen nachsetzten. Der Grund dafür ist ganz einfach: Leclerc hatte keinen neuen Soft-Reifen mehr. Aber warum er keinen Soft-Reifen hat, das ist etwas komplizierter.
In Spanien rechnet die Formel 1 nach in Sachen Reifenmanagement schwierigen Freitags-Trainings mit Zweistopp-Strategien. Diesbezüglich hat sich fast jeder Fahrer aber nur je einen Hard- und einen Medium-Reifen aufbehalten. Und der Hard hatte am Freitag überhaupt keinen Grip aufbauen wollen.
Ferrari-Strategie? Charles Leclerc macht es lieber selbst
Auch Ferrari wollte bei beiden Fahrern mit einem Hard, einem Medium und fünf Soft-Reifen ins Qualifying gehen. “Das Team hat das gepusht”, bestätigt Leclerc. Er wollte es aber nicht. Er wollte unter allen Umständen einen Hard und zwei Medium-Reifen ins Rennen mitnehmen. Damit setzte er sich schließlich durch. Der Preis war, dass er nur vier Soft-Reifen für das Qualifying hatte.
“Ich übernehme die volle Verantwortung dafür, wie das Qualifying abgelaufen ist”, meint Leclerc daher. “Es war meine Entscheidung.” Da der Ferrari im Qualifying-Trimm auch in Barcelona keine Bäume ausreißen konnte, musste Leclerc dann schon in Q1 mit einem zweiten Reifensatz zur Sicherheit am Ende noch einmal rausfahren. Damit war besiegelt, dass er in Q2 und Q3 jeweils nur mehr einen neuen Soft-Reifen haben würde.
neuer Soft-Reifen | Runde | Resultat |
---|---|---|
1 | Q1-1 | 1:13,014 |
2 | Q1-2 | abgebrochen |
3 | Q2 | 1:12,495 |
4 | Q3 | 1:12,131 |
Auch dass er dann in Q3 schon beim ersten Anlauf seinen letzten neuen Soft-Reifen verheizen musste, geht auf Leclercs Kappe: “Obwohl das Team pushte, mich am Ende rauszuschicken.” Da hätte ein kühlerer Asphalt wohl eine bessere Zeit ermöglicht. “Ich wollte aber einen Plan B haben, falls die Runde wegen einem Fehler oder so nicht nach Plan gelaufen wäre. Ich wollte die Chance auf eine zweite Runde. Hängt alles an mir.”
Lewis Hamilton fügt sich Ferrari-Strategen und fährt Qualifying-Erfolg ein
Auf der anderen Seite fügte sich Lewis Hamilton den Ferrari-Strategen. Das zahlte sich aus. In Q2 konnte er sich sogar einen Soft-Reifensatz sparen. Das Team riskierte, ihn bei den letzten Runden in der Garage zu lassen. “Guter Call vom Team”, lobt Hamilton. In Q3 mit zwei neuen Soft-Reifen ausgestattet, hievte er sich mit einer halben Sekunde Rückstand auf den fünften Startplatz hinter George Russell.
“Wir haben uns eindeutig im Qualifying verbessert”, meint Hamilton infolgedessen. “Die letzten Rennen waren natürlich schwierig. Nach Monaco wollten wir nicht gleich zu viel erwarten, aber es war eine Verbesserung gewesen, und wir hofften, diesen Effekt auch hier zu haben. Und das war der Fall, das war gut.”
Ein horrendes 2. Training vom Vortag hatte Hamilton davor unbesorgt zu den Akten legen können: Es war ein externes Problem am Unterboden gewesen, dass man erst am Freitagabend entdeckte. Mit dem Setup hatte es nichts zu tun. Jetzt fühlen sich sowohl Hamilton als auch Leclerc stark genug, um mit dem im Rennen üblicherweise deutlich besseren SF-25 am Sonntag mit Max Verstappen und George Russell um den dritten Platz zu kämpfen.
Leclerc vertraut hier fest darauf, dass sein zusätzlicher Medium-Reifen die Trumpfkarte sein könnte. Als einziger Fahrer in den Top-10 ist er in der Lage, eine Soft-Medium-Medium-Strategie zu fahren. Alle anderen müssen entweder zweimal Soft nehmen, oder fragwürdige Hard-Reifen fahren. Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass die Streckenentwicklung über das Wochenende am Sonntag plötzlich den harten Reifen viel besser machen würde. “Ich hoffe, es macht sich bezahlt”, kann Leclerc nur sagen. “Sonst ist es meine Schuld.”
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