Markus Steinrisser
Formel 1 Ressort
Seit 2018 im F1-Team. Der Mann fürs Textliche. Nichts ist schöner als Action auf- und abseits der Strecke, fusioniert zum großen Feature.MEHR

1. Hat Oscar Piastri den Sieg mit seiner Strategie verschenkt?
Der erste Stint im Formel-1-Rennen von Österreich war eine frenetische Hetzjagd von Oscar Piastri auf Lando Norris. Dann kam Norris zum Stopp, und Piastri entschied sich, vier Runden länger draußenzubleiben. Er wollte bessere Reifen – doch die dadurch verlorenen 5 Sekunden konnte er im Mittelstint trotz Reifenvorteil nicht aufholen: “Es lief nicht so wie gedacht. Wir werden es durchgehen und prüfen, ob es richtig war, so zu handeln.”
Bei McLaren glaubt man: Norris war der schnellere Pilot. Die drei aufeinanderfolgenden DRS-Zonen des Red Bull Rings verzerren nur das Bild. Sie machen es dem Jäger viel einfacher, Anschluss zu halten. Teamchef Andrea Stella bilanziert: “Ich denke, dass Lando im zweiten Stint auf den harten Reifen einfach sehr schnell war und er es Oscar damit nicht erlaubt hat, von seinem Reifendelta zu profitieren.”
2. Warum bekam Franco Colapinto nur 5 Sekunden Strafe für das Piastri-Abdrängen?
Nach den zweiten McLaren-Stopps brannte Piastri noch ein spätes Feuerwerk ab – nachdem er beim Rauskommen aus der Box aber erst einmal beim Überrunden von Franco Colapinto aufs Gras gedrängt wurde. Der Alpine-Pilot hatte im Zweikampf mit Yuki Tsunoda den Überblick verloren und Piastri übersehen. Obwohl ihn das Team am Funk gewarnt hatte und blaue Flaggen gezeigt wurden.
Ein Überrundeter, der den Zweitplatzierten abdrängt, klingt nach nichts, bei dem mildernde Umstände greifen könnten. Die an diesem Wochenende veröffentlichten Straf-Richtlinien würden dann 10 Sekunden und 2 Strafpunkte vorsehen, Colapinto bekam aber mit 5 und 1 die Hälfte. Die Stewards sehen es nämlich als strafmildernd an, dass es für Colapinto sehr schwer gewesen war, Piastri zu sehen, der teilweise von Tsunodas Red Bull verdeckt worden war.
3. Wurde Kimi Antonelli für das Abräumen von Max Verstappen bestraft?
Ja, nach einer kurzen Ermittlung nach dem Rennen kassierte Kimi Antonelli drei Strafplätze und zwei Strafpunkte für das Umdrehen von Max Verstappen in der ersten Runde. Die drei Plätze, weil er schon ausgefallen war. Die muss er jetzt in Silverstone absitzen. Den oft abschwächenden Umstand der ersten Runde sahen die Stewards nicht als anwendbar. Antonelli selbst entschuldigte sich: Er hatte eine Fehleinschätzung bei seiner Bremsbalance begangen, die war zu weit hinten und löste den fatalen Fehler aus.
4. Warum war Verstappen nach dem Crash so entspannt?
Bis auf einen verärgerten Funkspruch gab es von Max Verstappen nach dem Crash keinen Frust zu hören: “Jeder Fahrer hat in seiner Karriere schon derartige Fehler gemacht.” Schon am Samstag hatte Verstappen ein desaströses Qualifying gelassen hingenommen. Wohl liegt es daran, dass er absolut nicht mehr an die WM glaubt. Am Rande des Österreich-GPs ließ er sich auch gerne von seinem GT3-Team ablenken. Direkt nach dem Startcrash marschierte er in die Red-Bull-Hospitality, um die letzte Stunde der 24 Stunden von Spa zu sehen, wo seine Mannschaft einen Klassensieg holte und Gesamt-Neunte wurde.
5. Ist das Ferrari-Update ein Durchbruch?
Für McLaren war Österreich perfekt: Hohe Temperaturen, ideales Streckenlayout, deshalb war die Vorstellung so dominant. Ferrari feierte aber mit P3 und P4 eine der besten Teamleistungen des Jahres, genau an einem Wochenende, an dem man einen rundumerneuerten Unterboden ans Auto gebaut hatte. Dennoch fiel die Reaktion nach dem Rennen bei Charles Leclerc und Co. sehr verhalten aus.
Das Ergebnis sollte man nämlich gesamtheitlich sehen. Ferrari kam entgegen, dass Max Verstappen und George Russell, beziehungsweise deren Teams, unverhältnismäßig schlecht waren (und im Falle von Verstappen Pech mit einer gelben Flagge im Qualifying und dem Unfall am Start hatten). Nüchtern betrachtet lag Leclerc im Qualifying immer noch eine halbe Sekunde zurück, im Rennen immer noch fast einen Boxenstopp. Üblicherweise schieben sich eben mindestens Verstappen und Russell in diese Lücke.
6. Warum war Mercedes so schlecht?
Das bringt uns zur unterirdischen Vorstellung von Mercedes, die das vorangegangene Rennen noch gewonnen hatten. Eine Minute lag George Russell hinter McLaren. Die Antwort: Das Team hatte in Kanada ein Setup-Experiment gestartet. Die Schlussfolgerung nach Pole und Sieg: Richtiger Weg. Untermauert wurde das von einem guten Longrun am Freitag.
Eine Fehleinschätzung, wie sich ab dem Qualifying herausstellte. Der ohnehin hitzeanfällige Mercedes fiel dadurch völlig aus dem Arbeitsfenster. “Wir versuchten was von Barcelona und Montreal in Sachen Setup, Aero-Balance und mechanischer Balance mitzunehmen, und das war klar falsch, jetzt haben wir die Box abgehakt”, urteilt Toto Wolff nüchtern.
7. Wie kam Nico Hülkenberg auf P9?
Zum dritten Mal in Folge fuhr Nico Hülkenberg in die Punkte – diesmal vom letzten Startplatz aus. Eine sensationelle Fahrt dank eines frühen Boxenstopps, der Hülkenberg freie Fahrt verschaffte, wo er die nach den letzten Updates richtig starke Rennpace des Sauber voll ausspielen konnte. Dieser fahrerisch perfekt exekutierte Undercut-Vorteil plus die Ausfälle vor ihm hievten ihn in die Punkte.
8. Was ging bei den Williams kaputt?
Neben Verstappen und Antonelli waren unter diesen Ausfällen beide Williams. Bitter erst recht für Alex Albon, der davor um den sechsten Platz gekämpft hatte. Für ihn ist es der dritte Ausfall in Serie. Wieder war es die Power Unit. “Fühlte sich ein bisschen wie in Kanada an”, ärgert sich Albon, wo es ein von der Kühlung initiiertes Problem gewesen war.
Carlos Sainz schaffte es nicht einmal bis zum Start. Davor hatte er im Qualifying mit einem Bremsproblem und einem Unterbodenschaden schon nur den vorletzten Platz geholt. Beim Anfahren in der Startaufstellung blieben die Hinterbremsen stecken. Daher kam Sainz erst nicht aus dem ersten Gang: “Als ich es realisierte, habe ich das Auto neu gestartet und bin weggekommen, aber die Bremsen haben sofort Feuer gefangen.” Noch weiß es das Team nicht, aber Sainz hegt den Verdacht, dass die Probleme von Samstag und Sonntag zusammenhängen.
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