Die großen Erwartungen von Mercedes nach dem Trainingserfolg in den Niederlanden erhielten in der Qualifikation einen Dämpfer. Lewis Hamilton startet das Rennen nach Q2-Aus und Strafversetzung nur von P14, Trainingsbester George Russell holte mit dem vierten Platz das Maximum für Mercedes heraus, nachdem er zuvor schon im ersten Qualifying-Segment um das Weiterkommen bangte.

Nach Pole-Hoffnung: Vierter Platz war das Maximum für Mercedes

“Ehrlich gesagt war es einfach eine Erleichterung, Q1 zu überstehen”, gab Russell im Nachgang zu. Das Auto hätte sich nicht wie erwartet angefühlt. “Es ist überraschend, wie schnell sich die Verhältnisse ändern.” Nachdem der Mercedes-Pilot zu Beginn des Qualifyings am Funk noch darüber klagte, dass er keinen Grip habe und herumrutsche, besserte sich sein Gefühl im zweiten Qualifying-Abschnitt: “In Q2 fühlte sich meine Runde ziemlich gut an und ich war vom Tempo her auf dem gleichen Niveau wie McLaren.”

“Also bin ich mit der Vorstellung in Q3 gegangen, dass ich eine Chance auf die Pole-Position habe”, stellte der zweifache Grand-Prix-Sieger rückblickend seine enttäuschten Erwartungen klar. “Aber die Pace kam einfach nicht wirklich. Wir sind etwas zurückgefallen und am Ende Vierter geworden.”

Für Mercedes war dies das Höchste der Gefühle. Das weiß auch Teamchef Toto Wolff: “Wir hofften auf ein besseres Ergebnis. In den Trainingssitzungen waren wir fast immer unter den Top-3 und hatten den Eindruck, nahe an der Spitze zu sein. George hat mit dem vierten Platz wahrscheinlich das Maximum erreicht. Aber wir sind nicht glücklich mit dieser Performance.”

George Russell erklärt: Reifen waren das Problem in Q3

Nachdem bereits die Trainings-Sessions ein bunter Mix aus Regen, Wind und Sonnenschein waren, erwies sich auch das Qualifying aufgrund der kühlen Bedingungen als schwierig. Die Hauptaufgabe bestand darin, die Reifen ins optimale Arbeitsfenster zu bringen. “Es war sehr schwierig, die Reifen konstant ins richtige Fenster zu bekommen. Die Bedingungen änderten sich auch ständig, sodass es schwierig war, alles aufeinander abzustimmen, um das Beste aus dem Auto herauszuholen. Es war definitiv nicht einfach, den Sweet Spot zu finden”, schilderte Russell.

Insbesondere auf seinem letzten schnellen Schuss in Q3 hätte er aufgrund überhitzter Reifen an Rundenzeit eingebüßt. “Ich war auf einer wirklich starken Runde”, bewertete Russell seine letzte Runde, mit der er seine eigene Zeit um zweieinhalb Zehntel übertraf und zu Beginn auch der Bestzeit von Polesetter Lando Norris sehr nahekam. “Dann haben die Reifen überhitzt und ich habe im letzten Teil der Runde mehr Leistung verloren als erwartet”, stellte er weiter das Problem dar.

Die Performance-Schwankungen führte Russell deshalb nicht auf den W15, sondern allein auf die Reifen zurück: “Du willst die Runde mit so kalten Reifen wie möglich beginnen. Aber wenn du einen Grad unter dem Limit liegst, verlierst du wahrscheinlich eine halbe Sekunde. Wenn du einen Grad über dem Limit liegst, verlierst du eine Zehntel. Also balancierst du diesen Sweet Spot. Es ist, als ob du dich immer weiter an den Rand einer Klippe heranarbeitest und wenn du einen Schritt zu weit gehst, fällst du ab”, veranschaulichte der Mercedes-Fahrer die Herausforderung der Reifentemperaturen, mit denen alle umzugehen haben.

Chance auf den nächsten F1-Sieg? George Russell: McLaren immer noch vor allen anderen!

Im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Lewis Hamilton, der das Zandvoort-Wochenende bereits abgeschrieben hat, fasste Russell aber neuen Mut, was das Rennen am Sonntag anbelangt: “Ich bin nicht allzu besorgt. Der Abstand nach vorne war heute ziemlich groß, aber ich denke, dass wir morgen ein besseres Rennen fahren können. P4 ist ein guter Ausgangspunkt und ich denke, wir werden näher dran sein.”

Damit teilte er den Optimismus seines Teamchefs Toto Wolff. “Turn 1 ist immer heiß in Holland. Vielleicht können wir davon profitieren”, hoffte der Österreicher und gab ein Podiumsergebnis als Ziel aus. Seine sachliche Einschätzung: “Unsere Rennpace sah am Freitag solide aus, aber es wird schwierig, mit McLaren mitzuhalten.”

Zweikampf zwischen Lando Norris und George Russell,
Bahnt sich beim Großen Preis der Niederlande wieder ein aufregender Kampf zwischen Mercedes und McLaren an?, Foto: LAT Images

“Realistisch betrachtet ist McLaren immer noch vor allen anderen”, gab auch Russell zu bedenken. “Ich denke, man kann mit Recht sagen, dass sie in den letzten paar Rennen, auch in Spa, die Schnellsten waren.” Der Brite rechnet trotzdem mit einem engen Kampf an der Spitze und sieht Mercedes eine halbe bis eine Zehntelsekunde hinter McLaren und Red Bull. “Aber wie wir gesehen haben, kann sich das alles sehr schnell ändern, wenn man die richtige Strategie wählt und einen guten Start hinlegt.”

Könnte für die Silberpfeile eine risikoreiche Strategie, wie schon beim Formel-1-Rennen in Spa, der Schlüssel zum Erfolg sein? Pirelli gab vor dem Wochenende den Ein-Stopper klar als optimale Strategie aus. Mercedes hält sich aber auch andere strategische Optionen offen: “Ich denke, dass zwischen ein und zwei Stopps momentan nicht viel um ist”, wog Wolff ab. “Also kann es schon sein, dass wir etwas probieren können, bei dem man den Reifen dann zum Ende tragen muss oder eben Vollgas attackiert.”

Gravierender Mercedes-Fauxpas: Doppelsieg futsch! (10:14 Min.)

Was die Entwicklung in der Formel-1-Saison 2024 betrifft, wird es Russell zufolge mehr und mehr ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen McLaren und Mercedes: “Wir haben mit unseren Upgrades einen hervorragenden Job gemacht, aber unglücklicherweise steigert McLaren die Performance im gleichen Tempo wie wir. Wir setzen uns allmählich vom restlichen Mittelfeld ab und schließen die Lücke zu Red Bull. McLaren hat Red Bull aber bereits überholt, was die Performance angeht. Wir arbeiten weiterhin hart, aber im Moment sind sie definitiv in der besten Position.”

Bis zur Sommerpause legte Mercedes ein fulminantes Comeback hin. In den letzten vier Rennen holten sie drei Siege. Jetzt ist es für die Silberpfeile wichtig, dieses Momentum beizubehalten. Die erste Jahreshälfte des Teams haben wir in unserem Sommer-Fazit für euch zusammengefasst: