Ein Muster ist zu erkennen bei der Formel 1 in Bahrain. Klar, McLaren räumt bereitwillig ein, das beste Auto zu haben. Doch während die Konkurrenz eine halbe Sekunde Vorsprung prognostizierte, schaffte es überhaupt nur Oscar Piastri im Qualifying, das Potenzial in die Pole umzusetzen. Reifen-Änderungen vor dem Rennen erhöhen jetzt die Ungewissheit: Kann das der Konkurrenz auch im Grand Prix helfen?

Bei McLaren fühlte man sich nach dem Qualifying gestern jedenfalls darin bestätigt, das Dominanz-Gerede abzutun. Der gigantische Vorsprung vom 3. Training etwa, als Piastri acht Zehntel vor dem ersten Nicht-McLaren lag, war gänzlich irrelevanten Wetterbedingungen geschuldet, welche dem MCL39 entgegenkamen. “Wenn ich mir die Qualifying-Lücken anschaue, bin ich nicht überrascht”, kommentiert Teamchef Andrea Stella Piastris eineinhalb Zehntel Vorsprung im Q3-Showdown.

“Ich glaube sicher nicht, dass wir schnell genug sind, um zu tun, was wir wollen”, unterstreicht Piastri. Denn schon am Freitag war der McLaren bei einem genaueren Blick in die Daten im Renn-Trimm zwar vorne, aber nur knappe zwei Zehntel. Und von Freitag auf Samstag nahm Reifenausrüster Pirelli Änderungen vor, welche der Konkurrenz entgegenkommen könnten.

Reifen-Lotterie im Rennen? Pirelli für Bahrain-GP unsicher

Der limitierende Faktor in Bahrain ist die Überhitzung der Hinterreifen. Nach dem Freitag entschloss sich Pirelli, den Mindestreifendruck für die Hinterreifen von 21 auf 20 psi herabzusetzen. “Das kann relativ zum Freitag den hitzebedingten Abbau signifikant reduzieren”, hält Pirelli-Chefingenieur Simone Berra fest.

Obendrauf soll es laut Wetterprognosen zum Rennen noch kühler werden. Der generelle Trend hier lautet, dass McLarens Vorsprung dann immer weiter schmilzt. “Je rutschiger die Strecke, desto größer unser Vorteil”, meint Andrea Stella. Der McLaren kann trotz adverser Bedingungen hier viel Abtrieb konstant generieren. Wenn die Bedingungen besser werden, tut sich die Konkurrenz relativ gesehen einfacher, ihrerseits Grip aufzubauen. “In kühleren Sessions hat die Strecke mehr Grip, die Luft ist dicker und du hast mehr Abtrieb, also schließen sich die Lücken.”

Tatsächlich beobachtete Pirelli bislang keinen geringeren Reifenabbau bei McLaren. Der MCL39 ist lediglich bei vergleichbarem Abbau schneller als die Konkurrenz. Die reduzierten Reifendrücke am Heck sowie die kühleren Bedingungen könnten es im Rennen weiter verengen. “Wir könnten eine Situation haben, wo der McLaren den anderen nicht davonfährt, weil sie zumindest für die ersten Stints noch managen müssen”, meint Pirelli-Mann Berra.

Strategie-Frage im Bahrain-GP: Was tun mit den Reifen?

Niemand ist sich sowieso sicher, was die optimale Strategie sein wird. Pirellis Simulationen spucken eine Zweistopp-Strategie aus, weil Überholen hier mit drei DRS-Zonen recht einfach, und der Undercut sehr stark ist. Eine Einstopp-Strategie würde auf dem harten Asphalt und den trotzdem noch immer hohen Temperaturen extremes Pace-Management bedeuten, und dann wäre man schnell für Zweistopper zum Abschuss freigegeben.

Oscar Piastri im McLaren vor George Russel im Mercedes
Überholen ist bei der Formel 1 in Bahrain möglich, Foto: IMAGO / DeFodi Images

Aber welche Reifen nehmen? Alle drei Mischungen sind für das Rennen in einem Zweistopp-Fall brauchbar. Der Hard ist dieses Wochenende bisweilen zwar robust, aber allgemein langsam. Die meisten Fahrer haben sich für das Rennen daher zwei Medium, einen Hard und eine Auswahl an leicht gebrauchten Soft aufbehalten. Medium-Hard-Medium erscheint die konservative Standard-Strategie. Ein Soft-Start könnte Potenzial eröffnen.

Piastri-Verfolger trotzdem sicher: Den holen wir heute im Rennen nicht

Knappe 300 Meter hätte Charles Leclerc von seinem zweiten Startplatz aus, um Piastri bis zur ersten Kurve zumindest die Führung wegzuschnappen, und auch hin zu Kurve 4 kann ein Soft-Start noch immer Vorteile bringen, da der Grip bei der Traktion raus aus der ersten Kurve noch immer ein Vorteil wäre. Wer auf Soft startet, wird außerdem früh starten, und ein Undercut kann mehrere Sekunden bringen. Wer aggressiv früh stoppt, kann daher sich so vielleicht beim ersten Stopp vor Piastri schummeln.

Die Frage ist nur: Bringt es irgendetwas, sich vor einen McLaren zu schieben? Die Konkurrenz glaubt nicht daran, dass die Umstände von Wetter und Reifen wirklich helfen. Leclerc war überhaupt schon überrascht, es im Qualifying unter die Top-3 geschafft zu haben. Der brandneue Ferrari-Unterboden funktioniert zwar wie erwartet, aber er ist kein Quantensprung. “Wir könnten recht eng bei den Mercedes, und auch bei den Red Bulls sein”, schätzt Leclerc.

Mercedes brachte George Russell am Samstag mit einem Team-Fehler – man schickte beide Autos zu früh nach einer roten Flagge aus der Garage – um den zweiten Startplatz. Nach Strafe ist es nur P3 für ihn. Russell war am Freitag in den Longruns am nächsten an McLaren dran gewesen. Doch näher dran heißt nicht schneller, und Russell wird Hilfe vom Rennverlauf brauchen. Größte Gefahr ist, dass er in ein Scharmützel mit einem langsameren Leclerc-Ferrari verstrickt wird, anfangs feststeckt, und Piastri bis zum ersten Boxenstopp davonfahren kann.

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Der mit einem herausragenden Qualifying aufgetretene Pierre Gasly steckt auf Startplatz vier mitten in der Spitzengruppe, aber die Rennpace des Alpine schien am Freitag nicht über Mittelfeld-Verhältnisse hinauszuragen. Die letzten Aspiranten auf ein Podium stehen dahinter: Kimi Antonelli, Lando Norris und Max Verstappen.

Norris resigniert jetzt schon: Piastri wird uns alle überrunden

Auf Norris hofften wohl einige, um das Rennen heute spannend zu machen. Im Renn-Trimm hat er auch zweifelsohne die nötige Pace. Aber im Qualifying-Trimm kommt Norris 2025 bislang nicht so recht mit einem am Limit etwas über Gebühr nervösen MCL39 zurecht. Sein Bahrain-Q3 war gar nichts. Jetzt stehen mit Russell, Leclerc und Antonelli gleich drei Top-Autos zwischen ihm und Piastri.

Das ist ein langer Weg zum Sieg. Norris schreibt ihn daher schon ab: “Ich glaube nicht, dass ich gewinne. Ich muss auf das Podium abzielen. Oscar wird uns denke ich alle überrunden.” Hinter Piastri sind wirklich alle einstimmig davon überzeugt, dass der Australier dem Feld einfach davonfahren wird. Und dass bis auf Norris niemand in der Lage wäre, ihn in allen anderen Fällen daran zu hindern, sie wieder zu überholen.

Red Bull, vor einer Woche dank Max Verstappen noch siegreich, ist wohl der größte Außenseiter. Selbst mit zwei miesen Runden war Norris noch schneller als ein mit der Bremse hadernden Max Verstappen. “Natürlich wird McLaren davonfahren”, schreibt Verstappen Bahrain praktisch schon ab. “Ich hoffe, ich kann mit Mercedes und Ferrari mithalten.”

Der Red Bull hielt in Japan McLaren über die Renndistanz nur dank streckenbedingt verschwindend geringem Reifenabbau in Schach. In Bahrain, einem Rennen mit allgemein hohem Abbau, sieht man keine Chancen. Verstappen ist aus der Spitzengruppe übrigens einziger Fahrer mit zwei Hard-Reifensätzen für das Rennen. Hinter ihm stehen noch Lewis Hamilton und Yuki Tsunoda – beide bislang mit schwierigen Wochenenden und nur wenig Hoffnung auf große Sprünge nach vorne.