Stocksauer war Charles Leclerc am Samstagabend nach einer Qualifying-Pleite zu seinen Interviews bei der Formel 1 in Singapur angetreten. Mit zu niedrigen Reifentemperaturen hatte er sich schon in der ersten Kurve seines einzigen Q3-Versuchs verbremst und damit einen neunten Startplatz besiegelt. Seine angedeutete Kritik an der operativen Ausführung des Teams muss er nach dem Rennen aber zurücknehmen.

“Ich würde gerne noch einmal darauf zurückkommen”, sprach Leclerc von sich aus das Thema nach dem Singapur-GP am Sonntag wieder an. “Natürlich sagte ich, die Reifen seien nicht im richtigen Fenster, und das waren sie nicht. Aber wenn ich darauf zurückschaue, dann sind die Reifen oft nicht ganz im Fenster. Als Fahrer musst du trotzdem deine Arbeit machen. Das habe ich gestern eindeutig nicht getan.”

“Die Schuld liegt mehr bei mir”, entwertet Leclerc seine frustgetriebene Suche nach einem Sündenbock vom Samstag. Da hatte er darüber geflucht, dass er schon beim Verlassen der Box viel zu kalte Reifen gehabt hätte, und implizierte damit einen klaren Teamfehler. Davor theorisierte er darüber, ob es gar an der Handhabung der Heizdecken gelegen hatte. Die Wahrheit ist etwas schwieriger.

Ferrari verzettelt sich im Qualifying-Spielchen nach Sainz-Crash

Ferrari hat sich die Q3-Pleite inzwischen noch einmal ganz genau angesehen. Schließlich hatte nicht nur Leclerc ein Problem. Carlos Sainz crashte, weil er die Reifentemperaturen am Heck zu Rundenbeginn falsch eingeschätzt hatte. Teamchef Fred Vasseur stellt am Sonntag daraufhin nüchtern fest, dass Ferrari in den Qualifying-Spielchen in Probleme geraten war.

Crash von Ferrari-Fahrer Carlos Sainz Jr.
Carlos Sainz fuhr seinen Ferrari mit kalten Reifen zu Schrott, Foto: LAT Images

Die waren in Singapur erst recht deutlich, weil Q3 wegen dem Sainz-Crash lange unterbrochen war. Dann wurde mit noch 08:04 Minuten auf der Uhr neu gestartet, aber jeder hatte nur mehr einen neuen Reifen, und damit nur einen Schuss. “Wir haben alle ein Spiel gespielt, denn niemand wollte Erster sein, niemand Letzter”, so Vasseur. Beides ist in Singapur schlecht: Der Erste könnte auf Verkehr auflaufen und hat wenig Vorteil durch Streckenentwicklung. Und je weiter hinten, desto größer die Gefahr einer gelben oder roten Flagge.

“Wir haben angetäuscht, das Auto rauszuschicken, und jeder hat versucht, die anderen zu kopieren, und dann sind wir alle ein bisschen am Boxenausgang stehengeblieben”, zählt Vasseur auf. Dabei kühlen die Reifen natürlich aus: “Wir haben einen Großteil wieder zurückgeholt, aber es stimmt, dass wir in der ersten Kurve mit marginal niedrigeren Reifentemperaturen angekommen sind.”

Singapur unterstreicht: Reifenschonender Ferrari hat ein Qualifying-Problem

Warum erwischte Ferrari dieses Spielchen sprichwörtlich besonders kalt? “Wir haben momentan nur Theorien, aber wenn du nicht die perfekte Outlap bekommst, dann ist die Chance, die Reifen im richtigen Fenster zu haben, bei uns äußerst klein”, erklärt Carlos Sainz. “Sobald etwas außer unserer Kontrolle passiert, etwa wenn wir Verkehr durchlassen, in Sektor zwei langsam machen, am Boxenausgang lange anstehen, dann bist du ein paar Grad außerhalb des Arbeitsfenster und da ist kein Grip.”

Genau das sind jene Dinge, die in Singapur passierten. Sainz musste direkt vor seinem Crash ein Auto auf einer schnellen Runde vorbeilassen. Leclerc stand erst lange am Boxenausgang und wurde von seinem Ingenieur gleich angehalten, eine schnelle Outlap zu fahren. In dieser lief er jedoch auf Mercedes auf, die viel langsamere Outlaps brauchen.

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Das enge Qualifying-Arbeitsfenster ist 2024 bei Ferrari ein Trend. “Ich denke, letztes Jahr hat unser Auto die Reifen sofort bei Bedarf reinbekommen”, überlegt Sainz. Der offensichtliche Unterschied: Der SF-24 wurde zu einem der reifenschonendsten Autos im Feld entwickelt, nachdem der SF-23 in diesem Bereich große Defizite hatte.

Das scheint unangenehme Nebeneffekte zu haben. “Dieses Jahr ist es eine sehr knappe Angelegenheit, sie ins Fenster zu bekommen oder nicht”, meint Sainz. “Das versuchen wir noch zu verstehen.” In Singapur gehört Ferrari damit glasklar zu den Verlierern. Wer noch? Das gibt es hier zu lesen: