Die Enttäuschung bei den britischen Formel-1-Fans nach dem Qualifying in Silverstone ist groß. Lewis Hamilton war das ganze Wochenende schnell, aber am Samstag reichte es nicht für die Pole-Position. Der Lokalmatador startet seinen Heim-Grand-Prix vom fünften Platz aus, zwei Zehntel fehlten ihm auf die Bestzeit von Max Verstappen. Der neunfache Silverstone-Gewinner weiß genau, wo er die Zeit liegenließ.

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Dabei wäre im ersten Qualifying-Segment schon fast alles vorbei gewesen. Nach der roten Flagge, ausgelöst durch Franco Colapinto, war nur noch Zeit für zwei schnelle Runden. Oder eine, im Fall von Lewis Hamilton. Ferrari hatte ihn nur mit genug Sprit für einen Run auf die Strecke geschickt. Als er sich beim ersten Versuch nicht verbesserte, musste er zittern.

Nur 0,144 Sekunden trennten ihn schlussendlich von einem Ausscheiden im Q1, dafür fuhr er im zweiten Qualifying-Abschnitt die Bestzeit. Seine erste Runde im finalen Segment brachte ihm einen provisorischen Platz in der ersten Startreihe ein. Auch sein zweiter Anlauf sah in den ersten zwei Sektoren vielversprechend aus. Nach der Kurvenkombination Maggotts, Becketts und Chapel hatte er knapp über eine Zehntelsekunde Vorsprung auf die bis dahin gültige Bestzeit von Oscar Piastri.

Verbremser kostet Hamilton Platz in der ersten Startreihe

Charles Leclerc im Ferrari
Sowohl Hamilton als auch Leclerc verbremsten sich auf ihrer letzten schnellen Runde, Foto: IMAGO / AFLOSPORT

Doch dann kam der entscheidende Moment, der Hamilton vielleicht seine achte Pole-Position auf dem Silverstone Circuit kostete: Er verbremste sich am Eingang zur Vale-Kurve und musste seinen SF-25 abfangen. Sein Vorsprung war weg und er ging mit einer Zehntelsekunde Rückstand auf Piastri über die Ziellinie. Verstappen setzte dann noch einmal 0,1 Sekunden drauf.

“Ich hatte Untersteuern in Kurve 16, da habe ich die Zeit verloren. Ich weiß nicht, ob es wegen einem Kerb war, aber ich bin weit gegangen und habe das Auto verloren. Das hat mich zumindest den zweiten Startplatz gekostet”, gab sich Hamilton enttäuscht. Trotzdem kann er von einem kleinen Erfolg sprechen. Er qualifizierte sich zum vierten Mal vor seinem Teamkollegen Charles Leclerc. In den Grand-Prix-Qualifyings steht es im internen Teamduell damit 8 zu 4 für den Monegassen.

Auch der haderte nach dem guten Wochenende für die Scuderia mit seinem sechsten Startplatz: “Es war schrecklich. Wir wären schnell genug für die erste Startreihe gewesen. Aber ich habe nicht abgeliefert, als es darauf ankam. Ich muss besser werden”, ging Leclerc streng mit sich ins Gericht. Der Monegasse befand sich im zweiten Anlauf im Q3 ebenfalls auf einer guten Runde, bevor er das Auto in den letzten zwei Kurven verlor.

Wiederkehrende Qualifying-Probleme von Ferrari auch in Silverstone

Leclerc gilt als einer der stärksten Formel-1-Fahrer auf eine schnelle Runde, deshalb ist ihm die schlechten Qualifying-Performance des SF-25 ein Dorn im Auge. Der Ferrari-Bolide schaffte es bisher auch in den fähigen Händen von Leclerc und Hamilton nicht, konstant gute Zeiten auf eine einzelne Runde aufzustellen. Die Limitation zeigte sich auch in Silverstone.

Leclerc gibt sich aber selbst die Schuld an der schlechten Samstags-Performance: “Ich leiste einfach keine gute Arbeit. Rückblickend würde ich nicht viel ändern, was meine Entscheidungen in den Rennen angeht. Aber es gibt viele Qualifyings, zu denen ich gerne zurückgehen würde, um etwas anders zu machen. Jedes Mal, wenn ich ins Q3 gehe, passt irgendwas nicht.”

Dabei scheint der Ferrari-Bolide am Samstag in Silverstone ein zusätzliches Problem gehabt zu haben. “Wir haben nach Q2 mit etwas im Auto gekämpft. Es ist kein Grip- oder Balance-Problem. Es ist vor allem bei hoher Geschwindigkeit schwierig zu handeln. Es ist sehr spezifisch”, verriet Leclerc und ging nicht weiter ins Detail. Er ließ nur wissen, dass dieses mysteriöse Problem im Rennen mit Sicherheit nicht auftauchen würde.

Lewis Hamilton: Wir müssen das Auto extrem fahren

Hamilton hingegen ging genauer auf eine Schwierigkeit des SF-25 ein: “Am Ende hatten wir Untersteuern in den langsamen Kurven. Das ist ein grundlegendes Charakteristikum des Autos”, definierte Hamilton die Problemzone.

“Wir müssen das Auto übersteuern, damit wir das letzte Bisschen an Zeit und purer Pace herausbekommen. Das Auto ist halt so schnell, wie es ist. Wir müssen extremer fahren, aber dadurch verhält sich der Bolide heikel. Wir müssen die Performance verbessern, um dem entgegenzuwirken”, erklärte der siebenfache Weltmeister weiter.

Er hätte im finalen Qualifying auf dem Silverstone Circuit nicht das gleiche Problem wie sein Teamkollege gehabt, aber: “Dieses Problem kommt und geht. Ich hatte es in allen anderen Sessions.” Trotzdem freut sich Hamilton über den Fortschritt. Er tat sich in der Vergangenheit schwer, die richtige Abstimmung für den Ferrari zu finden, doch fühlt sich in Silverstone schon viel wohler.

Um zu diesem Ergebnis zu kommen, nahm sich der 105-fache GP-Sieger ein Beispiel an seinem Teamkollegen. “Unsere Setups sind unterschiedlich, aber wir gehen in die gleiche Richtung. [Leclerc] hat teilweise sehr andere Einstellungen als ich, aber wir sind nicht weit voneinander entfernt.”

Trotz der sehr konkurrenzfähigen Longrun-Pace sehen sich beide Ferrari-Piloten im Rennen nicht auf dem obersten Podestplatz. “Von unserer Position aus wird es schwer. Wir beginnen jedes Rennen damit, uns wieder nach vorne zu kämpfen. Diejenigen, die vorne starten, haben immer einen Vorteil. Deshalb müssen wir im Qualifying besser werden”, steckte Leclerc seine Erwartungen niedrig.

Für Lewis Hamilton steht einiges mehr auf dem Spiel. Er war seit 2014 jedes Jahr auf dem Podium des Großen Preises von Großbritannien und möchte diese Serie auch fortsetzen. Ob er das schafft? “Wir haben vier schnelle Autos vor uns. Aber ich werde heute Nacht von einem Podium träumen und versuchen, es morgen umzusetzen.”

Seit 2019 ist Charles Leclerc der Scuderia treu. Ist das ein Fehler? Verschwendet er seine besten Jahre bei einem aussichtlosen Ferrari? Unsere Redaktion hat diskutiert.