Kerstin Hasenbichler
Redaktionsleiterin
Kerstin gibt 2025 ihr Comeback bei Motorsport-Magazin und kümmert sich v.a. um unsere Rookies, Online & Print.MEHR

‘Rammbock’ Max Verstappen ist auch Tage nach dem Spanien-Grand-Prix immer noch Gesprächsthema Nummer 1. War das Manöver Absicht? Sind Verstappen die Sicherungen durchgebrannt? Wollte er mit der Aktion erreichen, frühzeitig aus seinem Vertrag rauszukommen? Verstappen selbst zeigte sich am Montag nach dem Rennen einsichtig und erklärte in einem Instagram-Post “der Move sei nicht in Ordnung gewesen und hätte nicht passieren sollen.”
Eine Entschuldigung hört sich allerdings anders an, doch Dr. Helmut Marko nahm den 27-Jährigen in Schutz: “Max fällt es nicht leicht solche Eingeständnisse zu machen. Es hat definitiv geholfen, dass er eine Nacht darüber geschlafen hat.” Für Formel 1-Experte Christian Danner gibt es noch eine andere Erklärung. “Für große Champions ist die Wahrnehmung der Realität schwierig, denn sie sitzen auf ihrer Wolke des Erfolgs und werden damit immer wieder von sich selbst bestätigt.”
Danner stärkt Verstappen den Rücken
Bestes Beispiel sei der Rekordweltmeister Michael Schumacher. “Ich habe mir das Interview von Michael nochmals angesehen, als er sein Auto in Rascasse absichtlich in die Leitplanke gefahren hat. Er stand da mit einem Unschuldsgesicht und sagt ‘nur weil ich einen Fehler gemacht habe und zu schnell unterwegs war, werde ich bestraft.’ Dabei war es eindeutig Vorsatz”, erzählte Danner. Die Formel-1-Geschichte zeige, dass es zu großen Champions dazugehört, dass ihnen mal die Sicherung durchbrennt.
“Ich glaube, das wird sich bei diesem Typus Fahrer auch in der Zukunft nicht ändern. Es scheint so zu sein, dass das bei den ganz großen Champions irgendwo ganz hinten auf der Festplatte gespeichert ist. Genie und Wahnsinn liegen eben nah beieinander”, meinte Danner. Als ehemaliger Rennfahrer kann er sich gut in die Lage von Verstappen während des Spanien-Grand-Prix hineinversetzen. Nach dem Safety Car hätten sich die Dinge – Wechsel auf harte Reifen, Berührung mit Leclerc, Vorfall Russell samt Fehleinschätzung von Red Bull – einfach aufgeschaukelt.
Hier liest du eine ausführliche Analyse wie die Genie-Strategie von Red Bull Max Verstappens Barcelona-Ausraster provozierte.
Danner: Russell ein rotes Tuch für Verstappen
“Der Mann ist auf Sieg gebürstet und das ist auch einer seiner ganz großen Stärken. Er ist absolut grandios. Wie er die Dinge im Überblick hat, wie er sich nicht nur das Rennen einteilen, sondern auch Situationen zu seinem Vorteil managen kann, ist gigantisch. Es ist jetzt nicht so, dass man sowas erwarten konnte, aber Max war einfach komplett beleidigt, er war komplett sauer und da ist ihm eine Sicherung durchgebrannt”, erklärte Christian Danner. Hinzu kommt, dass Russell seit 2024 ein rotes Tuch für den vierfachen Champion ist. “Das ist eine gewachsene Disharmonie, das ist in der Formel 1 nichts Neues. Das gibt es immer wieder. Die Beiden finden sich halt gegenseitig ziemlich überflüssig”, so Danner.
Gleichzeitig kann er durchaus Berechnung hinter den Aktionen des Mercedes-Piloten erkennen. “Russell hat bereits im Vorjahr Öl ins Feuer gegossen. Ich glaube, er positioniert sich für die kommenden Jahre, um dem Verstappen zu zeigen, dass er aus einem anderen Holz geschnitzt ist.” Für den Rammstoß gegen Russell bekam Verstappen eine 10-Sekunden-Strafe sowie drei Strafpunkte aufgebrummt. Viele hätten dem Niederländer sogar die schwarze Flagge gezeigt, doch laut Danner haben die Rennstewards richtig entschieden. “Die Strafe ist klar, sie ist hart und zeigt mein lieber Freund, so nicht. Auch für dich als Weltmeister, als Held der gesamten Formel 1 Weltmeisterschaft, ist Schluss mit lustig”, sagte der Deutsche.

Dr. Marko schließt sich der Meinung an. “Die Strafe war angemessen”, räumte der Österreicher bei Sport und Talk ein. “Natürlich bedeutet das, wenn er sich in Kanada schlecht aufführt, kann er in Österreich nicht starten. Aber das wird nicht passieren.” Aktuell liegt Verstappen bei elf Strafpunkten, acht Strafpunkte hat er bereits aus der Vorsaison mitgenommen. Hier geht’s zur Strafpunkte-Übersicht. Bei zwölf angesammelten Strafpunkten muss ein Fahrer ein Formel-1-Rennen aussetzen. Zuletzt traf es Kevin Magnussen 2024, der nach einer Strafe in Italien beim Aserbaidschan GP zum Zuschauen verdammt wurde.
Marko: Verstappen hat kein WM-fähiges Auto
Für Danner ist klar, dass diese Situation nicht spurlos an Verstappen vorbeigeht. “Es ist ja nicht so, dass Max die WM abgeschrieben hat und sagt, ich bin so langsam, ist eh alles egal. Das ist nie im Leben der Fall und deswegen glaube ich, wird sich an die Umstände anpassen und diese lauten lass dir nichts zu schulden kommen”, sagte Danner. In Spanien ließ Verstappen durch die Strafe wichtige Punkte liegen. Aktuell beträgt sein Rückstand auf WM-Leader Oscar Piastri 49 Punkte. Doch Dr. Marko erinnert an den Titelkampf 2012 zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso. Nach dem Ungarn GP betrug der Rückstand des Deutschen 42 Zähler.
“Wir haben damals mit Seb den Rückstand auf Alonso auch aufgeholt. Wir geben sicher nicht auf”, stellte der Red-Bull-Motorsportberater klar. Gleichzeitig ist dem Österreicher bewusst, dass ein WM-fähiges Auto der entscheidende Faktor ist, um Verstappen im Team zu halten. “Ich muss gestehen, dass er derzeit kein WM-fähiges Auto hat. Er muss in jeder Runde absolut am Limit fahren”, meinte Dr. Marko. Trotzdem weist er Theorien, Verstappen hätte den Rammstoß gegen Russell nur absolviert, um die Ausstiegsklausel in seinem Vertrag geltend zu machen, ins Reich der Märchen. “Das ist absolut absurd. Das könnte er viel leichter haben”, stellte der Österreicher klar.
© Motorsport-Magazin
diese Formel 1 Nachricht