1. Wie schaffte es George Russell auf das Podium?

Nichts tun, Platz 3 holen. Der George-Russell-Effekt war im Rennen der Formel 1 in Miami so stark wie noch nie. Das ganze Wochenende verzweifelte Russell am Auto und war erstmals langsamer als Teamkollege Kimi Antonelli. Daher pokerte er am Start mit harten Reifen, verlängerte seinen ersten Stint – und die Gebete wurden mit einem Virtuellen Safety Car erhört. Antonelli und Max Verstappen vor ihm hatten schon in den Runde 25 und 26 unter Grün gestoppt. Russell kam jetzt beim VSC, während alle anderen auf der Strecke gezwungen waren langsamer zu fahren. So sprang er von P5 auf P3 vor.

2. Warum fiel Oliver Bearman aus?

Der Glücksengel von Russell hieß Oliver Bearman. Der Haas verabschiedete sich mit Feuer und Rauch aus dem Auspuff nach 28 Runden aus dem Rennen. Das Grundsatz-Problem lässt sich da leicht ahnen, und Teamchef Ayao Komatsu bestätigt: “Wir hatten einen Power-Unit-Schaden, das war das Ende seines Rennens.” Was genau kaputtging, muss das Team erst zusammen mit Motorpartner Ferrari eruieren.

3. Wieso scheiterte Red Bulls Protest gegen Russell?

Nach dem Rennen musste Russell allerdings noch gute drei Stunden um seinen dritten Platz zittern, denn Red Bull legte Protest ein: Russell habe unter einer gelben Flagge nicht verlangsamt, was Max Verstappen schon während dem Rennen beobachtet hatte. Das stimmte grundsätzlich auch. Russell hatte zwar bei besagtem Zwischenfall 25 Prozent Gas weggenommen, aber weil es in der Beschleunigungsphase auf der langen Geraden geschah, war er am Ende der Gelb-Zone trotzdem schneller als am Anfang.

“Die Regeln sagen klar, dass es ein Verringern des Tempos geben muss”, echauffierte sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Die F1-Stewards interpretierten es anders: Einfache gelbe Flaggen zu beachten bedeutet nicht, am Ausgang der Gelb-Zone langsamer zu sein als am Eingang. Es bedeutet bloß, dass man an der Stelle langsamer sein muss als auf einer normalen Rennrunde unter Grün. Das war Russell zweifelsohne. Der Protest wurde folglich abgewiesen.

Red Bull Protest in Miami! Wie entging Mercedes einer Strafe? (16:44 Min.)

4. Warum wurden F1-Fahrer für zu schnelles Fahren unter Gelb nicht bestraft?

Außer Frage steht also, dass Russell die gelben Flaggen sah und befolgte. Wie auch Verstappen, und 12 andere Fahrer. Aber zwei – Carlos Sainz und Pierre Gasly – zogen an der Stelle mit Vollgas durch und gestanden später auch, dass sie nichts gesehen hatten. Dafür wurden sie sofort zu den Stewards zitiert. Überraschenderweise wurden beide lediglich mit einer offiziellen Warnung vom Haken gelassen.

Die Stewards argumentierten das wie folgt: Die Gelb-Zone war an einer Stelle, wo es keine LED-Tafel gab, sondern nur normale Flaggen. Diese Flaggen wurden direkt vor einer gelben DHL-Bande geschwenkt. An einer Stelle, wo man bereits 270 km/h draufhat. Ausreichend mildernde Umstände, um keine Strafe auszusprechen. Obwohl das für den Großteil des Feldes kein Problem zu sein schien…

5. Warum fiel Gabriel Bortoleto aus?

Der Grund für diese viel bemühte gelbe Flagge war ein liegengebliebener Sauber von Gabriel Bortoleto – nach Bearmans Haas das zweite Auto mit Ferrari-Motor, das im Rennen einen technischen Defekt erlitten hatte. Hier vermutet das Team einen Schaden im Benzin-System. “Aber wir werden mehr wissen, wenn wir uns das Auto genau angesehen haben”, meint Teamchef Jonathan Wheatley.

6. Warum stoppte Nico Hülkenberg nicht unter VSC?

Das Bortoleto-VSC war schon das zweite, dass der (wie Russell) auf Hard losgefahrene Nico Hülkenberg ohne Boxenstopp durchfuhr. Aber Sauber nutzte keine der Gelegenheiten, um Hülkenberg für einen Billig-Reifenwechsel reinzuholen. Beim Bortoleto-VSC war es Pech, Hülkenberg war gerade an der Boxeneinfahrt vorbei. Beim Bearman-VSC nicht. “Das müssen wir uns anschauen”, wundert sich Hülkenberg, der schließlich unter Grün stoppte und das Rennen knapp hinter Pierre Gasly auf dem drittletzten Rang beendete. Punkte waren kaum drin, aber mehr als P14 war möglich. Wheatley räumt ein: “Rückblickend betrachtet hätte wir da einen Vorteil haben können.”

7. Warum fiel Liam Lawson aus?

Liam Lawson und Jack Doohan kollidierten schon am Start. Doohan stellte nach einer halben Runde ab, Lawson aber fuhr bis Runde 36, ehe er an die Box kam und aufgab. “Wir haben noch auf Regen gehofft, aber der kam nicht”, erklärt er. Ohne Wetterchaos war es irgendwann sinnlos, sich mit dem schwer ramponierten Racing Bull noch länger um den Kurs zu quälen. Nachdem er überrundet wurde, ließ man es bleiben.

8. Warum war der McLaren so viel schneller als alle anderen?

Dass nach Lawson nur noch die beiden Aston Martins und Hülkenberg überrundet wurden, grenzt schon fast an ein Wunder. Der beste Nicht-McLaren George Russell hatte 33 Sekunden Rückstand auf den zweitplatzierten Lando Norris. Obwohl beide McLaren sich in harten Fights an Max Verstappen hatten vorbeikämpfen müssen. Ihre Überlegenheit erschien erdrückend und unterstrich: Wenn es heiß wird, ist der MCL39 in einer eigenen Liga, was die Kontrolle der Reifen-Temperaturen angeht.

“Es scheint nur der McLaren das besser zu managen können”, meint Christian Horner. McLaren-Teamchef Andrea Stella freut sich: “Das ist immer noch eine schwarze Kunst in der Formel 1. Ich bin da stolz auf unser Team, das zu managen.” Von Schummel-Theorien will McLaren nichts wissen, alles sei legal. Stella ergänzt: McLaren scheint auch das beste generelle Kühl-Paket zu haben: “Wenn es heiß ist, dann seht ihr, dass unser Auto trotzdem recht kleine Kühlöffnungen fahren kann.” Diese Kombination an Faktoren bedeutet, dass die Konkurrenz, wenn die Temperaturen richtig hoch sind, relativ zum McLaren massiv abfällt. Red Bull und Mercedes werden wohl jetzt für einen kühlen Europa-Sommer beten.

9. Gab es eine Strafe für den Crash von Sainz mit Lewis Hamilton?

In der letzten Runde, ja, fast in der letzten Kurve knallte es noch einmal. Carlos Sainz fuhr bei einer letzten Attacke im Kampf um P8 Lewis Hamilton ins Auto. Die Angelegenheit wurde von den Stewards erst nach dem Rennen abgearbeitet, und als Rennunfall zu den Akten gelegt. Beide Fahrer waren für sie teilweise schuldig. Hamilton zog auf der Bremse unverhältnismäßig früh nach innen und schnitt Sainz, aber der war sowieso zu weit hinten. Der Unfall hatte sowieso in Sachen Positionen auch keine Folgen.

10. Warum war Williams so schnell?

Dass Sainz, nach einer leichten Start-Kollision mit nicht mehr ganz gesundem Auto, überhaupt noch Hamilton attackieren konnte, zeigt: Williams war an diesem Wochenende sicher schneller als Ferrari, fast auf einem Level mit Mercedes und Red Bull. Alex Albon holte P5, acht Sekunden hinter Max Verstappen. “In jedem Debrief haben wir uns gefragt, warum es so gut lief”, meint Albon. Die Antwort scheint einfach: “Hier gibt es keine Kurven, die uns nicht passen.” Sainz mahnt: “Auf anderen Strecken wird das nicht so sein. Aber hin und wieder können wir vorne mitmischen.”

11. Warum kritisierte Sainz Williams am Funk?

Sainz musste sich mit P9 relativ zu Albons P5 zufriedengeben. Nicht gerade willig. “Ich habe hier sehr viel Vertrauen in alles verloren”, klagte Sainz auf der Auslaufrunde am Funk. Denn in Runde 14 war er von Albon überholt worden, obwohl ihm eine halbe Runde zuvor zugesichert worden war, dass man die Positionen halten würde.

Albon verteidigt sich: Bei ihm kam der Funkspruch später als bei Sainz. Nur Sekunden, bevor er zum Überholmanöver ansetzte. Williams-Teamchef James Vowles räumte am Sainz-Funk nach dem Rennen ein, dass das nicht gut gemanagt war: “Wir besprechen das nachher, aber ich stimme dir zu: Wir brauchen anständige interne Regeln.”

12. Warum, Ferrari?

Bleibt nur noch diese Frage übrig. Ja, warum, Ferrari? Was war das alles wieder? In ein bis zwei Absätzen unmöglich aufzurollen. Wir haben dafür das komplette Funk-Protokoll des Teamorder-Chaos zwischen Hamilton und Charles Leclerc aufgerollt, und hier auch die Stimmen aller Beteiligten zusammengefasst, und versuchen damit, die Situation auszusortieren: