Isabelle Grasser
Formel 1 Ressort
Isabelle ist Teil unserer Formel-1-Redaktion. Sie erhört aber auch die Rufe anderer Serien, zum Beispiel der F1 Academy.MEHR
In der Formel 1 ist Ruhe eingekehrt. Autos und Fabriken stehen still. Motorsport-Magazin.com nutzt die Sommerpause der Königsklasse, um die bisherige Performance aller Teams unter die Lupe zu nehmen. Heute an der Reihe: Ferrari. Der Rennstall in Rot zeigte sich in der Saison 2024 schon von vielen Seiten. Mal war die Scuderia Red Bull dicht auf den Fersen, mal waren sogar McLaren und Mercedes weit außer Reichweite. Das umfassende Sommer-Fazit.
Ziel vs. Realität:
Vor Saisonstart wurden die Ziele bei Ferrari klar gesteckt. Teamchef Fred Vasseur sprach von einer ‘Revolution’. 95 Prozent der Autoteile habe man im Zuge eines Philosophiewechsels verändert, um den ersten Platz in Angriff zu nehmen. Für ein Team wie Ferrari muss das Ziel immer der WM-Titel sein. Charles Leclerc sprach davon, bei jedem Rennen an der Spitze kämpfen zu wollen.
Das ist nach 14 Rennen jedoch nicht immer gelungen. Obwohl Ferrari in der Saison 2024 an vielen Wochenenden vorne mitmischte und bisher zwei Rennsiege und elf Podien verbuchen konnte, ist die Scuderia nicht bei jedem Rennen eine Spitzenkraft. Immer wieder muss sich das Team nicht nur hinter Red Bull, sondern auch hinter McLaren und Mercedes einordnen. In Großbritannien und Ungarn beendete Leclerc das Rennen sogar außerhalb der Punkte. Nach ‘konstant an der Spitze’ sieht das nicht aus. Im Saisonvergleich zeigt sich zumindest eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Nur 2022 konnte Ferrari bis zur Sommerpause bessere Ergebnisse erzielen. Die damalige Saison beendete die Scuderia dennoch mit über 200 Punkten Rückstand auf Red Bull. Stand jetzt trennen die beiden Rennställe ‘nur’ 63 Zähler.
Entwicklung 2024:
Ferrari legte zu Beginn der Saison mächtig los. Das Team war klar der erste Red-Bull-Verfolger. Nach den Rennen in Australien und Monaco waren die Bullen in der F1-WM fast zum Greifen nah. Doch nach Leclercs Sieg beim Heim-GP schwand die Ferrari-Performance dahin und die Leistung der Konkurrenz stieg steil an. Während Mercedes punktetechnisch noch ein gutes Stück von der Scuderia entfernt ist, hat McLaren aufgeholt und Ferrari P2 in der Konstrukteursmeisterschaft entrungen.
Auch im Entwicklungskampf scheint Ferrari etwas den Anschluss verloren zu haben. Der Rennstall brachte in Imola und Barcelona zwar umfangreiche Upgrade-Pakete, doch den erhofften Performance-Sprung machte Ferrari dadurch nicht. Ganz im Gegenteil. Bei den folgenden Rennen in Silverstone und Budapest landete Leclerc außerhalb der Punkte. Durch das Update leidet der SF-24 wieder vermehrt unter Bouncing in High-Speed-Kurven, was die Performance des Autos beeinflusst und das Team zu experimentellen Setup-Entscheidungen drängte. Spätestens in Silverstone wurde dem Team klar, dass das Upgrade ein Fehlschuss war. Dort griff das Team sogar auf die alte Auto-Version zurück. Ein enormer Rückschlag für die Scuderia. Vergleicht man diese Entwicklung mit den Upgrades, die McLaren bisher brachte, ist der Unterschied erschreckend.
Ferrari 2024: Zwischen Doppel-Sieg und Doppel-DNF
Höhepunkt 2024: Doppel-Sieg in Australien
Max Verstappens Siegesserie in der Saison 2024 riss bereits nach zwei Rennen. Der Red-Bull-Pilot rollte beim Australien-GP mit rauchenden Bremsen aus, und Carlos Sainz schnappte zu. Der Spanier kontrollierte die Konkurrenz bis ins Ziel, nachdem er zuvor das Rennen in Saudi-Arabien aufgrund einer Blinddarm-OP versäumt hatte. Dank geschickter Strategie gelang es Charles Leclerc McLaren auszumanövrieren und sich den zweiten Platz zu sichern. Damit war der Sonntag in Melbourne für Ferrari perfekt. Doppel-Sieg und schnellste Rennrunde. Mehr Punkte gehen nicht. Die Scuderia jubelte und die F1-Welt bestaunte die Mannschaft in Rot, die aussah, als könnte sie es ernsthaft mit Red Bull aufnehmen.
Tiefpunkt 2024: Doppel-Ausfall in Kanada
Das F1-Wochenende in Kanada war für Ferrari ein einziges Desaster. Schon das Qualifying lief völlig schief. Für beide Boliden war bereits im Q2 Endstation. Im Rennen folgte die nächste Blamage. Carlos Sainz machte auf seiner Aufholjagd kaum Boden gut. Dann der Dreher, mit dem der Spanier auch noch Williams-Pilot Alex Albon abschoss. DNF. Charles Leclerc hatte zu Beginn des Rennens mit Motorproblemen zu kämpfen. Um Plätze gutzumachen, setzte Ferrari mit der Strategie auf volles Risiko. Bei feuchter Strecke zog Leclerc früh die Slicks auf. Zu früh. Der Monegasse konnte sein Auto kam auf der Strecke halten. Als das Team doch noch auf die Intermediates wechselte, hatte Leclerc bereits eine Runde Rückstand. Schlussendlich war die Lage aussichtslos und Leclerc stellte seinen Boliden ab. Doppel-DNF.
Charles Leclerc und Carlos Sainz: Ebenbürtige Top-Piloten
Charles Leclerc
WM: 3. Platz (177 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,34 (4. Platz)
Charles Leclerc verwirklichte in der Saison 2024 endlich seinen Kindheitstraum. Er bezwang den Monaco-Fluch und siegte spektakulär bei seinem Heimrennen. Die Pole Position im Fürstentum ebnete ihm den Weg. Das Meisterstück gelang diese Saison bisher jedoch nur dieses einzige Mal. Nach dem Monaco-Sieg ging es eher bergab, was wohl auch mit dem Barcelona-Update zu tun hat. In der Fahrer-WM schlich sich Lando Norris vor. Obwohl P3 sicherlich keine schlechte Position ist, wird Leclerc selbst höhere Ansprüche haben. Auch die Punkte-Differenz zwischen den Ferrari-Teamkollegen ist derzeit nur marginal. Der Abstand ist in der Vergangenheit schon größer gewesen. Leclerc konnte seinen Durchhänger nach dem Triumph in Monaco zumindest noch mit einem Podium vor der Sommerpause dämpfen.
Carlos Sainz
WM: 5. Platz (162 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,47 (6. Platz)
Nachdem bekannt wurde, dass Ferrari Carlos Sainz gegen Lewis Hamilton austauschen wird, hatte der Spanier etwas zu beweisen. Und so fuhr er auch. Er startete die Saison 2024 mit Podien und einem Sieg in Australien und bewarb sich damit bei der Konkurrenz. Dann wurde es etwas ruhiger und Sainz lieferte hauptsächlich solide fünfte und sechste Platze ab. Nur einen negativen Ausreißer erlaubte sich der Spanier in Kanada, wo er mit einem Dreher sein Rennen beendete. Im Gegensatz zu Teamkollege Leclerc schlug sich das gescheiterte Barcelona-Update jedoch nicht so stark in Sainz’ Ergebnissen nieder. Dennoch trennen ihn genau 15 Punkte von seinem Teamkollegen in der Fahrer-WM. Das ist nicht viel, macht aber den Unterschied zwischen P3 und P5 aus.
Fazit und Ausblick:
Ferrari startete stark in die Saison. Beide Piloten konnten jeweils einen Sieg feiern und standen schon mehrmals auf dem Podium. Doch die Scuderia entwickelte sich im Laufe der 14 Rennen vom gefährlichen Red-Bull-Verfolger zur vierten Kraft im Feld. Das hat mit dem Können der beiden Top-Piloten nichts zu tun. Stattdessen sorgt die Entwicklung des Rennstalls für Sorgenfalten. Das gescheiterte Barcelona-Paket tut weh. Besonders, da die Konkurrenz nicht schläft. Wird es nach der Sommerpause besser? Ferrari arbeitet hart daran, ein Upgrade zu bringen, welches das derzeitige Bouncing-Problem löst. Ein bestimmtes Rennen steht dafür jedoch noch nicht fest. Bisher hieß es nur ‘so bald wie möglich’. Hoffnung gibt, dass mit Monza, Baku und Singapur einige Rennen anstehen, die dem SF-24 besser liegen sollten. Dennoch muss Ferrari im Entwicklungsrennen zulegen, damit das Team im Kampf um die Spitze weiter mitmischen kann.
MSM bilanziert während der Sommerpause die Performance der Formel-1-Teams im bisherigen Jahr. Jeden Tag kommt eine neue Mannschaft an die Reihe. Wo steht etwa Aston Martin nach 14 Rennen? Hier geht’s zum Sommer-Fazit:
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