
Formel-1-Redakteur mit einem gewissen Hang zur Fitness, Currywürsten und den alltäglichen Mario-Kart-Rennen im Büro.MEHR

AVL Racetech ist in fast allen Motorsport-Kategorien als Technologie-Lieferant involviert. Besonders im Bereich Antriebe, aber auch Software und Simulatoren besitzt die Grazer Firma eine große Expertise. Dafür muss das Unternehmen auch regelmäßig bei Simulator-Fahrten neue Komponenten testen. Dafür ist Tatiana Calderón zuständig. Die Kolumbianerin fuhr in mehreren Rennserien. Unter anderem fuhr sie 2019 als erste Frau in der Formel 2, fuhr mehrere Indycar-Rennen und war von 2018 bis 2021 Testfahrerin bei Sauber.
Ellen Lohr auf der anderen Seite ist bei AVL als Direktorin Motorsport tätig und ist daher überall in die Arbeit des Unternehmens einbezogen. Sie nahm 1989 an der deutschen Formel 3 teil und wurde in Monaco Zweite. Ihren größten Rennerfolg feierte sie 1992 mit dem Sieg beim ersten DTM-Lauf auf dem Hockenheimring. Damit ist sie die erste und bislang einzige Frau, die in der DTM ein Rennen gewinnen konnte. Im AVL Racetech Podcast “Beyond the Track” berichten Lohr und Calderón über ihre Erfahrungen als Frauen in der Motorsport-Welt.
Calderón: Simulator-Testzeit bei Sauber
Tatiana Calderón ist von Kolumbien aus in Europa in eine neue Welt eingetaucht – und das erfolgreich. Sie testet im Simulator bei AVL, war allerdings auch in der GP3, Formel 2 und zu Test-Zwecken auch in der Formel 1 bei Sauber aktiv. Dort stellte sie einen Rekord im Simulator auf – von dem sogar Ferrari-Pilot Charles Leclerc beeindruckt war.
“Es war ein toller Tag und ich glaube ich habe den Rekord in diesem Auto. Ich erinnere mich, als ich Testfahrer war, war Charles im Team. Er hat die Rundenzeit gesehen und gefragt: Hat sie eine Kurve abgekürzt oder so? Die Zeit ist unglaublich!”, erzählt Calderón. “Aber es zeigt, wenn du Ingenieure hast, die an dich glauben, die dich in die richtige Richtung lenken und du deinen Sitz perfekt anpassen kannst, dass es dann kein Limit gibt. Als Frau verdienen wir diese Chancen.”
Während sich Leclerc von Calderón beeindruckt zeigt, fährt sein Ferrari-Teamkollege einen ungeliebten Negativrekord ein. Mehr dazu hier:
Calderón: Aus Kolumbien nach Europa
Doch Calderón musste nicht nur die Hürde des Geschlechts überwinden, sondern hatte es auch geographisch schwer. In Kolumbien hatte sie nicht die besten Voraussetzungen für eine Motorsport-Karriere – und vor allem keinen Zugang zu Motorsport. “Ich komme nicht von einer Motorsport-Familie. Wir wussten nicht. Wir haben nur eine Strecke, die 2,5 Kilometer lang ist. Währenddessen ist gerade Juan Pablo Montoya in der Formel 1 gefahren, und so wurde ich inspiriert”, sagt Calderón.
Eine Garantie hatte sie dabei natürlich nie. Die Chancen standen gegen sie. Gleich nach ihrem Abschluss verließ Calderón Südamerika in Richtung USA. Mit 17 zog es sie nach Europa. “Ich wusste gar nichts. Das war kulturell ein großer Schock und du kennst niemanden. Aber der wichtigste Teil ist, den Prozess zu mögen. Du weißt nie, wo du enden wirst.” In den großen Rennserien angekommen hatte Calderón besonders in den großen Maschinen körperlich einen Nachteil gegenüber ihren Wettbewerberinnen.

“In der Formel 2 oder Indycar war es physisch zu schwer für meinen Körpertypen, egal wie viel ich trainiert habe. Vielleicht gibt es viele Autos, die Frauen als Fahrerinnen einfach nicht berücksichtigen. Die Körpermaße oder auch den Zyklus. Wir legen nicht so leicht Muskelmaße zu und haben Schwankungen.” Darin liegt laut Calderón auch der Schlüssel, Frauen auch an die Spitze des Motorsports zu bringen. “Wir müssen uns Fragen: Was brauchen Frauen um im Motorsport an der Spitze erfolgreich zu sein? Wir denken und operieren eben anders.”
“Nicht besser oder schlechter. Einfach anders. Solange wir das nicht akzeptieren, werden wir keine Frau mit den Ergebnissen in der Formel 2 oder Formel 3 sehen, die sie braucht um eine Chance in der Formel 1 zu bekommen.”

Ellen Lohr und der verpasste Formel-1-Test
Ellen Lohr schaffte es nie ganz an das Steuer eines Formel-1-Boliden. Sie selbst kommt im Gegensatz zu Calderon aus einer Motorsport-Familie. Hatte allerdings vom Startweg nicht den großen Traum Formel 1. “Als ich gestartet habe, war es mein Hoby, würde ich sagen.”
Dennoch verpasste sie den zumindest kurzzeitigen Sprung 1994 nur um Haaresbreite. “Ich hatte einmal eine Chance und sollte das Auto am Dienstag nach Monaco fahren. Doch dann hatte Karl Wendlinger seinen Crash.”
Karl Wendlinger fuhr 1994 für Sauber in der Formel 1, verunfallte allerdings aus dem Tunnel heraus mit 277 Km/h, wurde nachher in ein künstliches Koma gelegt und verlor für drei Wochen das Bewusstsein. “Ich habe mich sehr viel vorbereitet. Aber nach dem Crash sagten sie den Test ab. Sauber und Mercedes trennten sich nach der Saison und ich bekam nie den Test”, so Lohr. “Seitdem sagte ich mir ich sitze nur in einem Formel-1-Auto wenn ich es fahre. Aber ich fuhr nie eins.”
Nichtsdestotrotz zeigen die beiden motivierende Beispiel für Frauen im Motorsport. Dennoch muss sich auch laut Lohr etwas ändern. “Wir brauchen mehr Vertrauen. Darin, dass eine Frau das schaffen kann. Auch auf der Teambesitzer und Ingenieurs-Seite.”
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