Christian Menath
Ressortleiter Formel 1
Schnüffelt gerne am Print-Magazin, gibt mit seiner bestandenen Steward-Prüfung an, hält lange Monologe, war einst gut im Mario Kart – und liebt die F1 bedingungslos.MEHR
1. Warum war McLaren sauer auf die Racing Bulls?
In der vorletzten Runde wurde Lando Norris die schnellste Rennrunde und der damit einhergehende Extra-Punkt entrissen. Das Problem daran: Daniel Riccardo holte sich dafür kurz vor Rennende frische Reifen. Für den Racing-Bull-Piloten ging es aber um nichts mehr. Weil er außerhalb der Top-10 ins Ziel kam, bekam er den Extra-Punkt auch nicht – er nahm ihn lediglich Norris weg.
Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Racing Bulls damit in den WM-Kampf einmischten. Schließlich kämpft Lando Norris gegen Max Verstappen um den Fahrer-Titel. “Es sollte keine A- und B-Teams geben”, polterte McLaren-Boss Zak Brown nach dem Rennen. Die Racing Bulls gehören wie Red Bull Racing zum Red-Bull-Imperium.
Keine Lust auf Lesen? Christian fasst im Video die wichtigsten Punkte zum Singapur GP zusammen. Anschließend gerne noch die offenen Fragen hier im Text beantworten lassen!
2. Wieso verlor Kevin Magnussen die Schnellste Rennrunde?
Kurios: Kurz bevor Daniel Ricciardo die Schnellste Rennrunde fuhr, hatte sie noch Kevin Magnussen inne. Hätte Norris also ohnehin keinen Extra-Punkt bekommen? Doch, denn Magnussen hatte auf seiner Runde die weiße Linie überfahren, die Zeit wurde wieder gestrichen. Der Haas-Pilot war zuvor unfreiwillig zum Stopp gekommen, weil er die Mauer berührt und sich dabei einen Reifenschaden eingefahren hatte.
3. Warum feierte Norris nicht ausgelassen?
Lando Norris holte in Singapur GP einen überlegenen Start/Ziel-Sieg – und dennoch feierte er den Erfolg nicht ausgelassen. Das dürfte nicht nur mit dem entgangenen Extra-Punkt zusammenhängen. Mit Max Verstappen landete er ärgste WM-Rivale auf Platz zwei – und das, nachdem Red Bull einen katastrophalen Start ins Wochenende hatte. Norris hatte die Hoffnung auf Big Points in der WM, doch ausgerechnet jetzt schwächelten Teamkollege Oscar Piastri und Ferrari in der Qualifikation. Beide nahmen Verstappen keine Zähler weg.
4. Was dachte sich Mercedes bei Hamiltons Strategie?
Lewis Hamilton ging von Startplatz drei aus ins Rennen. Umso größer die Überraschung, dass er auf den Soft-Reifen startete. Dadurch musste er schon in Runde 17 zum Reifenwechsel kommen und entsprechend bis Runde 62 auf den harten Reifen ausharren. Der erfolgreichste Formel-1-Pilot der Geschichte fiel auf den sechsten Platz zurück. “Nachdem wir im Qualifying nur wenige Zehntel hinter Norris und Verstappen lagen, dachten wir, wir könnten um einen Podestplatz kämpfen. Deshalb haben wir uns entschieden, mit Lewis auf der weichen Reifenmischung zu starten, um in der ersten Runde Boden gutzumachen”, erklärt Strecken-Chefingenieur Andrew Shovlin.
“Das war die falsche Entscheidung”, konstatiert Teamchef Toto Wolff ganz klar. “Der Umgang mit den Hinterreifen erwies sich für uns als herausfordernd und deshalb sind wir zurückgefallen. Überholen war möglich, im Gegensatz zu früheren Rennen hier, die eher einer Prozession glichen, und im Nachhinein hätten wir ihn auf den Medium-Reifen starten lassen sollen.” Zum ersten Mal in der Geschichte des Singapur GP gab es keine einzige Safety-Car-Phase – auch darauf hatte Mercedes spekuliert.
5. Wieso musste Alexander Albon aufgeben?
Alexander Albon erwischte eine schwache Startrunde, weil er in Kurve eins in die Auslaufzone ausweichen musste und dadurch zahlreiche Positionen verlor. Mit seiner Aufgabe in Runde 15 hatte das aber wohl nichts zu tun. Ein Kühlproblem an seiner Power Unit zwang ihn dazu, den Williams in der Boxengasse abzustellen. Der Rennstall hat die Ursache für das Problem noch nicht gefunden.
6. Warum wurde Daniel Ricciardo Driver of the Day?
Daniel Ricciardo wurde nur nicht offiziell Letzter, weil Kevin Magnussen trotz Aufgabe noch in die Wertung kam. Trotzdem wurde der Australier von den Fans zum Fahrer des Tages gewählt – und das dürfte nichts mit seiner schnellsten Rennrunde [siehe Punkt 1] zu tun haben. Tatsächlich dürfte Singapur das letzte Formel-1-Rennen des 35-Jährigen gewesen sein.
Ricciardo selbst war nach Rennende den Tränen nahe, ließ in den Interviews seine Karriere Revue passieren. Die offizielle Bestätigung steht noch aus, aber er wird aller Voraussicht nach ab Austin von Liam Lawson ersetzt. “Die Fans haben wohl auch die Medien gelesen”, so Ricciardo. “Normalerweise ist den Fahrern der Titel egal, aber heute bedeutet er mir wirklich etwas.”
7. Wieso war Pierre Gasly so frustriert?
Zunächst einmal: Ja, Alpine und Sauber haben am Singapur GP teilgenommen. Die beiden Rennställe machen seit einigen Rennen die letzten beiden Plätze untereinander aus. So auch in Singapur. Doch für Pierre Gasly war das Rennen noch etwas härter. Nach einer schwachen Qualifikation musste er sich das ganze Rennen in den Dienst des Teams stellen. Seine Aufgabe: Er sollte die Konkurrenz so lange wie möglich aufhalten, die Sauber-Fahrer abdecken und so auch Teamkollege Esteban Ocon abschirmen.
Weil die Sauber-Piloten hinter Gasly auf den harten Reifen starteten, musste der Franzose auf seinen Medium-Reifen bis Runde 37 ausharren, ehe er endlich zum Reifenwechsel kommen durfte. In der Zwischenzeit musste Gasly auch noch zahlreiche Fahrer passieren lassen, die schon an der Box waren. “Ich wurde geopfert und habe versucht, dem anderen Auto zu helfen”, zeigte sich Gasly frustriert. Während Ocon immerhin auf Rang 13 ins Ziel fuhr, landete Gasly auf Rang 17 vor Ricciardo.
8. Hat Verstappen die Pressekonferenz erneut boykottiert?
Ja! Wie schon am Samstag nahm Max Verstappen zwar an der offiziellen Top-3-Pressekonferenz teil, besonders redselig war er aber nicht. 21,5 Wörter hatten seine Antworten im Schnitt. Zum Vergleich: Lando Norris antwortet durchschnittlich mit 129 Worten, Oscar Piastri mit 126. Grund für den Boykott: Verstappen hatte am Donnerstag in der Pressekonferenz geflucht (“I knew the car was fucked”) und bekam dafür als Strafe Sozialstunden aufgebrummt. Deshalb will der Weltmeister auf offizieller Bühne so wenig wie möglich sprechen. Stattdessen gibt es eine zusätzliche Presserunde, die von Red Bull organisiert wird. Dort darf Verstappen so viel fluchen, wie er will. Wie lange er den Boykott durchziehen will, ist unklar.
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