Markus Steinrisser
Formel 1 Ressort
Seit 2018 im F1-Team. Der Mann fürs Textliche. Nichts ist schöner als Action auf- und abseits der Strecke, fusioniert zum großen Feature.MEHR

Vor einer Woche hatte Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach einer enttäuschenden Vorstellung in der österreichischen Hitze nach einem Blick auf die kalte Wetterprognose für Silverstone noch gescherzt, es würde ein Sieg. Nun war es am Samstag im Qualifying tatsächlich kühler – doch erst ganz am Schluss hievte George Russell den berühmt hitzeanfälligen Mercedes in die zweite Startreihe. Ganz scheint das Team nicht zu verstehen, was hier läuft.
“Auf jeder Runde davor waren wir irgendwo zwischen fünf und acht Zehntel weg und tappten etwas im Dunkeln, weil wir dachten, dass uns die kühleren Bedingungen entgegenkommen würden”, bestätigt Russell. Am Freitag hatte der Mercedes bei 40 Grad Asphalttemperatur wie so oft bei solchen Bedingungen die Reifen gegrillt. Doch wo war der Schritt am Samstag bei Wolken und 25 Grad Asphalttemperatur?
“Erst auf der letzten Runde in Q3 kam es”, meint Russell. Das nutzte er knallhart aus und schummelte sich mit einer perfekten Runde vor beide Ferrari. Nur 19 Tausendstel fehlten ihm auf den McLaren von Lando Norris, und 0,137 Sekunden auf Polemann Max Verstappen. Genau der plötzliche Performance-Schub, den der Mercedes im Kühlen so oft zeigt. Nur dass er hier lange auf sich hatte warten lassen.
Silverstone kalt, Mercedes nicht schnell: Fragen statt Antworten im Qualifying
“Insgesamt waren wir weniger wettbewerbsfähig als wir wohl erwartet haben”, sagt Russell. “Wir müssen das einfach versuchen zu verstehen.” Es zieht sich nur seit Monaten hin. Schon im Vorjahr hatte Mercedes die gleichen Probleme. Ist es kühl, so ist das Auto meist schnell. Ist es heiß, so leiden die Reifen meist unverhältnismäßig stark. Aber diese Rechnung geht – wie das Silverstone-Qualifying zeigt – auch nicht verlässlich auf.
Man denke nur zurück an Kanada, wo Russell Pole und Sieg holte. Bei weit über 40 Grad Asphalttemperatur. Russell versucht Anhaltspunkte zu liefern: “Es ist kühl, aber die Strecke hier ist noch immer sehr schnell, wodurch du so viel Energie in die Reifen bringst. Die Reifen werden hier heißer als in Kanada, selbst wenn die Strecke dort 50 Grad hat.” Kanada hat fast nur langsame, die Reifen wenig belastende Kurven. Silverstone besteht hingegen überwiegend aus Highspeed-Passagen.
Die Wetterdaten aus dem Qualifying machen die Mercedes-Lage kaum klarer. Der Asphalt war zu Q1-Beginn wegen Bewölkung am kühlsten. In Q2 stieg der Asphalt auf über 30 Grad, weil die Sonne herauskam. In Q3 fiel er wieder, bis zu Russells letztem Versuch nahe der 25 Grad. Antworten? Mangelware. Das Forschungsprojekt W16 geht also weiter. Russell hätte es im Rennen gerne “kalt und trocken”, wohl noch kälter, und konstanter, als am Samstag.
Kimi Antonelli kämpft im Qualifying mit Fahrerstrecke Silverstone
Teamkollege Kimi Antonelli hätte gerne ein bisschen Regen. Er muss schließlich seinen Fehler von Österreich ausbaden, wo er Max Verstappen aus dem Rennen schoss. Die drei dafür kassierten Strafplätze muss er in Silverstone absitzen, was ihn auf P10 ins Mittelfeld zurückwirft. Ohnehin hatte er sich schwergetan, mit Russell mitzuhalten.
“Das ganze Qualifying hatte ich in den schnellen Kurven mit der Stabilität zu kämpfen, das hat mein Selbstvertrauen über die Session hinweg gekillt”, beschreibt es Antonelli. Ein kleines Desaster in Silverstone, wo man den Großteil der Rundenzeit in den berühmten Highspeed-Kurven wie Copse, Maggots, Becketts, Chapel und Stowe holt.
Antonelli litt, obwohl er schon mit mehr Abtrieb fuhr als Russell: “Den Schritt beim Setup konnte ich nicht machen, weil mir das Vertrauen in den schnellen Kurven fehlte.” Das Team hat auch hier keine klare Antwort parat. Antonellis fehlende Stabilität am Heck sei “anhand des Setups der beiden Autos nur schwer erklären”, so Chefingenieur Andrew Shovlin.
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