Markus Steinrisser
Formel 1 Ressort
Seit 2018 im F1-Team. Der Mann fürs Textliche. Nichts ist schöner als Action auf- und abseits der Strecke, fusioniert zum großen Feature.MEHR

Der Durchbruch des Lando Norris ist ein seltsames Ding, denn so klar scheint er nicht. Der starke Monaco-Sieg, die neue Kanada-Aufhängung, die dominante Österreich-Vorstellung mit Pole und Sieg, das alles spielt in eine verworrene Gleichung hinein, der Norris selbst vor Silverstone nicht traut. Ja, auch nach der starken Vorstellung vom letzten Wochenende gibt es berechtigte Zweifel.
Schließlich hatte Norris die neue Vorderrad-Aufhängung, die ihm das seit Saisonbeginn im neuen MCL39 plötzlich fehlende Gefühl für die Vorderachse im Qualifying zurückgeben sollte, auch schon in Kanada gehabt. Dort baute er auf beiden Q3-Versuchen Fehler ein. Zwei Wochen in später fuhr er eine Pole-Runde, die für ihn die vielleicht beste seiner Formel-1-Karriere war: “Da war das Gefühl, das alte Ich auf jeden Fall zurück, aber ich bin keiner, der stets sagt, dass er zurück ist. Das muss ich mit Konstanz beweisen.”
Norris-Durchbruch dank McLaren-Update bleibt in Silverstone unklar
“Es kann manchmal sehr streckenabhängig sein, vom Asphalt, von der Reifentemperatur”, unterstreicht Norris. “Ich kann keine definitive Antwort geben.” McLaren hatte ja erst zuletzt in Österreich zusätzlich eine neue Hinterrad-Aufhängung gebracht, und bei den letzten Wochenenden gleichzeitig aerodynamisch am Vorderwagen Hand angelegt, mit einem neuen Frontflügel und einer neuen Verkleidung der Vorderachse.
Diese Updates fahren beide Fahrer, während die mechanischen Adaptionen der Vorderachse nur Norris nutzt. Oscar Piastri hatte schließlich nie ein Problem mit dem Qualifying-Gefühl. Die McLaren Ingenieure sind mittlerweile sehr optimistisch, dass es Norris etwas bringt, obwohl der Umfang sehr klein ist. Praktisch handelt es sich dabei nur um ein alternatives Setup zu dem, mit dem Piastri seit Saisonbeginn um Poles fährt. Norris ist noch etwas unsicher: “Ich bin zuversichtlich, dass es mir das Gefühl gibt, aber das ist nichts, von dem ich einfach sagen kann, dass ich viel mehr im Auto spüre.”
“In Österreich habe ich sicher mehr gespürt”, so Norris. “Kanada ist ganz anders, dort ist das Auto immer irgendwie, also ist es da schwer einzuschätzen. Aber in Kanada hatte ich das Gefühl, dass wir etwas mehr herausgeholt hatten. Trotzdem kommt es mir immer noch nicht so vor, als sei ich wieder auf dem nötigen Niveau, auf dem ich in Sachen Feeling, Verständnis und so weiter im Vorjahr war.”
Sensibler Lando Norris: Niemand sonst braucht dieses McLaren-Gefühl
Viel Zeit hat Norris mit McLaren im Simulator verbracht, um den Qualifying-Problemen Herr zu werden. Letztendlich ist es einfach die Art und Weise, wie er ein Formel-1-Auto spüren will, bilanziert er in Silverstone: “Wenn du im Auto sitzt, versuchst du alles zusammen zu nutzen, das Visuelle, das Gefühl im Körper, in den Beinen, Füßen, aber bei mir kam mein Grip-Verständnis stets durch die Hände und durch das Lenkrad.”
“Das ist mein sensibelster Bereich, schon immer war ich da deutlich sensibler als meine alten Teamkollegen”, erinnert sich Norris. Schon relativ zu Carlos Sainz und Daniel Ricciardo war das damals der Fall. “Wenn ich diese Gefühle nicht nutzen kann, um das Maximum aus dem Auto rauszuholen, dann bin ich einfach nicht happy, und nicht so komfortabel, wie ich es gerne wäre.”

Bis zu einem gewissen Grad versuchte Norris dieses Jahr seinen Fahrstil an das Problem anzupassen: “Aber das ist auch was, wo ich meine Erfahrung als Fahrer nutzen muss. Wo ich sagen muss, dass ich im Vorjahr viel Selbstvertrauen hatte, mehr Gefühl durch das Auto. Ich bin ja der letzte Mensch, der sagen würde: ‘Jungs, das Auto ist nicht gut, oder nicht gut genug.’ Ich würde nie so die Schuld zuweisen. Aber ich war auf jeden Fall nicht glücklich.”
Norris gibt sich die volle Silverstone-Packung: Will noch mehr mit F1-Fans machen
Mit der alternativen Vorderachse hat McLaren Norris erhört. Wenn sie wirklich die Antwort ist, dann kam sie keine Sekunde zu spät. Nicht nur, weil das WM-Momentum immer weiter in Richtung Oscar Piastri gewandert war. Jetzt geht es nach Silverstone, vor Norris’ Heimpublikum. Inzwischen gibt es beim britischen Motorsport-Klassiker sogar eine eigene Norris-Tribüne.
Entsprechend straff ist Norris’ Zeitplan. Am Mittwoch war er schon bei einem riesigen McLaren-Event in London, am Donnerstag geht es weiter: “Ich sage nicht zu allem Ja, aber an diesem Wochenende willst du fast mehr tun. Mehr dieser Dinge wie die Fan-Bühne. Ich werde da mehr als einmal hingehen, und ich bin vorhin schon zur Tribüne, und zu meinem Merch-Store, und so Zeug. Da ist immer eine Balance, das ist ein wichtiger Aspekt. Ich bin zum Rennfahren hier, und du musst das immer bedenken. Aber es gibt nur ein Heimrennen im Jahr.”
Es sind mehr positive Ablenkungen als sonst irgendwas”, sieht Norris darin kein Problem. Der erste Heimsieg wäre ein Traum: “Schwierig, irgendwas über Monaco zu stellen, aber ich habe mal vor Monaco gesagt: Wenn ich irgendetwas gewinnen könnte, wenn ich alle Siege gegen einen eintauschen könnte, dann wäre es für einen Silverstone-Sieg.”
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