Christian Menath
Ressortleiter Formel 1
Schnüffelt gerne am Print-Magazin, gibt mit seiner bestandenen Steward-Prüfung an, hält lange Monologe, war einst gut im Mario Kart – und liebt die F1 bedingungslos.MEHR
Die angekündigte Stallorder bei McLaren war am Donnerstag von Baku das große Thema im Fahrerlager der Formel 1. Beim Rennen in Monza hatte Oscar Piastri die Ziellinie erneut vor Lando Norris überquert, obwohl sich der Brite im Gegensatz zum Australier noch Titelchancen ausrechnet. Bislang hatte McLaren nur die sogenannten ‘Papaya-Regeln’ ausgegeben, eine Stallorder gab es nicht.
Das sollte sich ab dem Aserbaidschan GP ändern, McLaren wollte nun alles auf Norris setzen. Tatsächlich kam dann am Sonntag alles anders: Plötzlich war es Norris, die eigentliche neue Nummer eins, der für seinen Teamkollegen fahren sollte. “50 Prozent von Oscars Sieg heute gehören auch Lando”, sagte Andrea Stella nach dem Rennen. Doch warum musste Norris Piastri helfen und war die Hilfe schließlich wirklich Renn-entscheidend?
In Runde 12 ging Sergio Perez als erster Fahrer des Spitzen-Trios an die Box. Zu diesem Zeitpunkt führte Charles Leclerc mit 4,4 Sekunden vor Oscar Piastri, gut weitere 2 Sekunden dahinter fuhr Perez. Aber der Mexikaner konnte nicht von seinen frischen Reifen profitieren, weil er hinter Lando Norris zurück auf die Strecke kam.
Norris nach Qualifying-Pech kein Sieg-Kandidat
Norris war nach einem unglücklichen Qualifying von Startplatz 15 aus ins Rennen gegangen und fuhr die alternative Strategie, also startete auf den harten Reifen. Das bedeutete einen langen ersten Stint für ihn. Die Spitze hingegen startete unisono auf Medium und musste entsprechend schon früher zum Reifenwechsel kommen.
Als Perez hinter Norris auf die Strecke kam, schaltete man bei McLaren schnell. Norris’ Renningenieur Will Joseph fragte den WM-Zweiten vorsichtig, ob er Perez etwas aufhalten könne. Der Grund dafür war klar: Perez solle seine frischen Reifen nicht für einen Undercut gegen Piastri nutzen können.
Tatsächlich kam Norris dem Wunsch seines Teams nach. “Ich habe mich gegen Checo verteidigt und das hat dafür gesorgt, dass er nicht vor Oscar gekommen ist. Das hat dazu geführt, dass Oscar heute gewinnen konnte”, lobt sich Norris selbst. Aber war Norris wirklich das Zünglein an der Waage?
Perez verliert hinter Norris 3 Sekunden
Perez’ Outlap war extrem schnell, erst am Ende der Outlap lief er auf Norris auf. Im Mittelsektor fuhr der Red-Bull-Pilot absolute Bestzeit. Allein dort gewann er eine ganze Sekunde auf Piastri. Im letzten Sektor noch einmal gut drei Zehntelsekunden. Hätte McLaren Piastri direkt eine Runde nach Perez zum Stopp geholt, hätte er die Position wohl verloren. Also konnte man Piastri, in der Hoffnung, dass Norris Perez einbremst, auch noch eine weitere Runde draußen lassen.
Und tatsächlich: Norris bremste Perez vor allem im kurvenreichen Mittelsektor enorm ein. Dort gibt es kaum Überholmöglichkeiten. Perez verlor im Mittelsektor im vergleich zu seinem vorherigen Umlauf zwei Sekunden, über die gesamte Runde sogar drei Sekunden.
Sektorzeiten Sergio Perez
Runde | Sektor 1 | Sektor 2 | Sektor 3 |
---|---|---|---|
13 | 38,943 | 44,374 | 30,081 |
Inlap | 55,748 | 43,539 | 25,577 |
Outlap | 39,046 | 45,333 | 25,79 |
16 | 38,446 | 43,353 | 25,341 |
Sektorzeiten Lando Norris
Runde | Sektor 1 | Sektor 2 | Sektor 3 |
---|---|---|---|
13 | 39,144 | 44,314 | 25,575 |
14 | 39,047 | 44,241 | 25,577 |
15 | 39,046 | 45,333 | 25,79 |
16 | 39,459 | 44,299 | 25,571 |
Auch an den Rundenzeiten von Norris lässt sich die Teamstrategie wunderbar ablesen. Natürlich war der Brite zu diesem Zeitpunkt auf seinen abgefahrenen Reifen deutlich langsamer als Perez. Trotzdem verlangsamte Norris noch einmal um fast 1,5 Sekunden zu seiner bisherigen Pace. 1,1 Sekunden ‘verlor’ er allein im Mittelsektor.
Wie entscheidend der Zeitverlust war, zeigte sich nach Piastris Boxenstopp: Der Australier kam zwei Runden nach Perez und fädelte sich nach dem Reifenwechsel direkt vor ihm wieder ein. Ohne die Norris-Blockade hätte der Australier die Position gegen Perez verloren.
“Wenn er [Perez] nicht so viel Zeit hinter Lando verloren hätte, hätte er das Rennen gewinnen können”, meint Red-Bull-Teamchef Christian Horner. “Wenn ihn Lando nicht aufgehalten hätte, wäre Checo vor Oscar gewesen und hätte dann Leclerc überholt”, ist sich Horner sicher.
Lando Norris konnte sich die Einbrems-Aktion übrigens leisten, weil er seinerseits hinter Alexander Albon festhing. Der Williams-Pilot fuhr ebenfalls auf der alternativen Strategie. Norris kam erst an Albon vorbei, als der an die Box abbog. Die Piastri-Hilfe kostete Norris so also weder Zeit noch Positionen. Ob Piastri seinen zweiten GP-Sieg auch gefeiert hätte, wäre er hinter Perez zurück auf die Strecke gekommen? Möglich, schließlich ging der Australier auch an Charles Leclerc auf der Strecke vorbei. Es wäre aber zumindest eine ganze Ecke schwieriger geworden.
Am Ende war es aber nicht nur die Hilfe von Lando Norris, sondern auch Fehler von Charles Leclerc und Ferrari, die Piastri den Sieg brachten. Wie auch Leclerc und Ferrari halfen, erklärt Christian im Video:
© Motorsport-Magazin
diese Formel 1 Nachricht