Das Formel-1-Rennen in Österreich lief auf ein Duell zwischen Oscar Piastri und Lando Norris hinaus. Die beiden McLaren-Fahrer machten den Sieg unter sich aus, während ihnen das Team größtenteils freie Hand ließ. So durften Piastri und Norris im direkten Duell frei fahren und auch bei der Strategie wurde keine Reihenfolge orchestriert.

Piastri hatte also freie Wahl, was er nach dem ersten Boxenstopp von Norris in Runde 20 tun wollte. Entweder sofort nachziehen und somit den Rückstand in Grenzen halten oder einige Runden warten, und dann mit einem größeren Reifendelta von weiter hinten angreifen. Piastri entschied sich für Zweiteres, doch im zweiten Stint konnte der Australier die Lücke nicht mehr zufahren und schaffte es auch für den gesamten weiteren Rennverlauf nicht wieder zurück in das DRS-Fenster von Norris.

Oscar Piastri zweifelt an seiner McLaren-Strategie: Lief nicht wie gedacht

“Es fühlte sich für mich an, dass es, wenn ich nicht im DRS bleiben könnte, sehr sehr schwierig werden würde, da wieder reinzukommen. Deshalb wollte ich etwas ein bisschen anderes probieren, um mir frischere Reifen zu geben, die ich möglicherweise am Ende des Stints nutzen könnte”, erklärte Piastri den Plan. Er zweifelte nach dem Rennen aber, ob diese Entscheidung die richtige war: “Es lief nicht so wie gedacht. Wir werden es durchgehen und prüfen, ob es richtig war, so zu handeln.”

Teamchef Andrea Stella hat eine andere Theorie, warum Piastris Strategie-Hoffnungen nicht wie geplant aufgingen. Er glaubt, dass Norris schlicht und ergreifend zu schnell war. “Normalerweise bekommt man auf Strecken wie hier mit viel Reifenverschleiß einen gewissen Vorteil, der heute nicht unbedingt ersichtlich war. Denn wie die Strategie von Oscar funktioniert hat, kann man nicht davon trennen, wie schnell Lando war”, sagte der Teamleiter.

“Denn ich denke, dass Lando im zweiten Stint auf den harten Reifen einfach sehr schnell war und er es Oscar damit nicht erlaubt hat, von seinem Reifendelta zu profitieren”, führte er weiter aus. Unter dem Strich konnte Piastri im zweiten Stint seinen Rückstand von 6,2 auf knapp unter vier Sekunden zufahren. Innerhalb von 28 Runden ergibt sich damit ein Pace-Unterschied von weniger als einer Zehntelsekunde.

Lando Norris in Österreich zu schnell? DRS trügt das Bild

Diese Annahme deckt sich mit den Leistungen der beiden McLaren-Teamkollegen an diesem Formel-1-Wochenende. Lando Norris war vor dem F1-Rennen ausnahmslos in jeder Session, an der er teilnahm, der schnellere Fahrer. FP2, FP3 und sogar jedes einzelne Qualifying-Segment entschied der Brite für sich. Erst im Rennen wurde Piastri nach einem geglückten Start, in dem er an Charles Leclerc vorbeigegangen war, zu einer Gefahr für den WM-Zweiten.

Von Runde 4 bis Runde 20 duellierten sich die beiden praktisch den ganzen ersten Stint über. Das muss aber der Annahme von Stella und dem Trend von Freitag und Samstag nicht widersprechen. Stattdessen glaubt Stella, dass das DRS in diesem Rennabschnitt den Pace-Vorteil von Norris konterkariert hat. “Österreich ist eine spezielle Strecke, auf der der DRS-Effekt sehr stark ist. Wenn man keinen großen Unterschied zwischen zwei Autos hat, kann sich der hintere Wagen an den vorderen anhängen”, so Stella.

Lando Norris führt vor McLaren-Teamkollege Oscar Piastri
Andrea Stella glaubt, dass Norris in Österreich einfach zu schnell für Piastri war – DRS verzerrte das Bild im ersten Stint, Foto: IMAGO / PsnewZ

Ein Effekt, der aus den letzten Jahren am Red Bull Ring gut bekannt ist, und der auch Piastri bewusst ist. “DRS ist hier sehr stark, das hat im Zweikampf am Start sicher geholfen”, betonte der Australier. Der Grand-Prix-Kurs in der Steiermark verfügt über drei unmittelbar aufeinanderfolgende DRS-Zonen. Einmal auf Start-Ziel, dann zwischen Kurve 1 und Kurve 3 (Turn 2 ist in einem F1-Auto keine echte Kurve) und erneut zwischen Kurve 3 und 4.

Was allerdings im Vergleich zu den letzten Jahren ungewöhnlich erscheint, ist, dass Piastris Reifen eine Verfolgung von Norris für den ganzen ersten Stint zuließen. Üblicherweise führt das dazu, dass die Pneus irgendwann überhitzen und dann der hinterherfahrende Pilot wieder abreißen lassen muss. Nicht so zwischen den McLarens in Spielberg.

Das Woking-Team scheint in der Formel-1-Saison 2025 den heiligen Gral gefunden zu haben, um mit dem MCL39 die Reifen im richtigen Fenster zu halten, wie die Konkurrenz – allen voran Red-Bull-Teamchef Christian Horner – zähneknirschend anerkennen müssen. Das spielt den Papayas erst recht bei äußert heißen Formel-1-Rennen, wie am vergangenen Wochenende in Spielberg in die Karten.

Signifikant schneller als Norris war Piastri erst im letzten Stint, wo er eigentlich nur einen Reifenvorteil von einer Runde hatte. Allerdings laborierte der Vize-Weltmeister zu diesem Zeitpunkt schon an einem leichten Frontflügel-Schaden und erwischte mehrmals Überrundete an einer ungünstigen Stelle.