“Waren das alle Highlights? War das alles, was in dem Rennen passiert ist?”, fragte sich Oscar Piastri im Cooldown-Room nach dem Formel-1-GP in Suzuka, nachdem am Bildschirm die wichtigsten Szenen des Rennens zu Ende abgespielt waren. Er sprach damit wohl vielen F1-Fans aus der Seele – zumindest jenen, die zu dieser frühen Stunde noch nicht eingeschlafen waren oder den TV noch nicht abgedreht hatten.

“Nichts ist passiert. Ich denke nicht, dass es auch nur ein Überholmanöver gab”, erhielt Piastri auch gleich die Antwort auf seine rhetorische Frage von Teamkollege Lando Norris. Als Klassiker wird der Grand Prix auf dem neu asphaltierten Suzuka International Racing Course definitiv nicht in die Geschichtsbücher eingehen, und das, obwohl Norris selbst auf der Wiese neben der Boxenausfahrt für etwas Action sorgte.

Das Formel-1-Rennen in Japan war tatsächlich alles andere als ein Klassiker, dennoch muss man der Vollständigkeit halber Norris korrigieren: Es gab Überholmanöver. Nicht viele und die meisten davon infolge von Boxenstopps zwischen Fahrern, die sich sowieso nicht in einem direkten Duell gegeneinander befanden, aber es gab sie. Wir haben uns ein paar Zahlen und Fakten zum Rennen angeschaut.

Langweiligste erste Formel-1-Runde? So wenig wurde überholt

Überholmanöver in der ersten Runde werden in den allgemeinen Überhol-Statistiken der Formel 1 übrigens nicht berücksichtigt, da Positionswechsel im Startgetümmel häufig schwer zu beziffern sind und die Zahl an Aussagekraft einbüßen könnte. Ein Problem, das wir in Japan kaum hatten. Denn obwohl die Strecke nach Regenfällen am Vormittag noch feucht war, gab es mit Ausnahme von Monaco, wo Positionswechsel auch am Start Seltenheitswert haben, wohl kaum einen Grand Prix, auf dem sich in Runde 1 so wenig getan hat.

Die Top 10 blieben komplett unverändert. Ein kurzer Vergleich mit den bisherigen Rennen in dieser Formel-1-Saison: Nach dem Start in den Australien-GP 2025 befanden sich nur noch vier Fahrer unter den ersten zehn auf jenem Rang, auf dem sie sich qualifiziert hatten, genauso viele auch China-Sprint. Im Rennen in Shanghai war Polesetter Oscar Piastri der einzige Fahrer, auf den das zutraf. Wir wollen nicht unterschlagen, dass es dahinter doch etwas Dynamik gab, aber das Interesse am Kampf um P11 oder P13 hält sich bei einem Formel-1-Rennen naturgemäß in Grenzen.

Lando Norris: Gab keine Überholmanöver: Wie viele waren es wirklich?

Nico Hülkenberg hatte auf der ersten Runde übrigens auch Carlos Sainz überholt. Ein kleiner Segen für die Überhol-Statistik, denn der Williams-Pilot ging in Runde 2 wieder vorbei und sorgte somit für das erste in den Statistiken erfasste Überholmanöver des Rennens. Es war tatsächlich nur eines von zwei, die sich auf dem ersten Stint ereigneten. Für das zweite sorgte Lewis Hamilton, der zu Beginn von Runde 6 ohne viel Gegenwehr an Isack Hadjar vorbeiging und P7 übernahm.

Insgesamt wurden in dem Formel-1-Rennen 15 Überholmanöver gezählt. Ein Großteil davon kam mit einem hohen Reifendelta und/oder in nicht boxenstopp-bereinigten Zweikämpfen zustande. Vor allem aber in der hinteren Hälfte des Feldes. Die ersten elf Positionen blieben nach dem Platzwechsel von Hamilton und Hadjar bis ans Rennende strategie-bereinigt unverändert.

15 Überholmanöver ist ein sehr niedriger Wert. In der Ground-Effect-Ära der Formel 1 gab es nur fünf Rennen, die weniger hatten. Dazu zählen alle drei Monaco-GPs aus diesem Zeitraum und der Australien-GP 2024. Auf permanenten Rundstrecken gab es nur in Imola 2022 weniger Überholmanöver als heute in Japan. Aber: Die reine Zahl der Überholvorgänge ist nicht alleine aussagekräftig über die Spannung eines Rennens. Das diesjährige Rennen in Australien beispielsweise hatte auch nur 16 Manöver zu verzeichnen, lieferte aber viel Abwechslung.

Keine Ausfälle, eine Überrundung

Viel Action gab es auch von anderer Seite nicht. Technisch bedingte Ausfälle oder Unfälle – so bitter sie für den betroffenen Fahrer sein mögen – machen ein Formel-1-Rennen auch unterhaltsamer und bringen ein weiteres Spannungselement ins Spiel. Davon gab es in Suzuka exakt null. Das gesamte Rennen kam sogar ohne eine einzige gelbe Flagge aus.

Überrundete können auch ab und zu das Salz in der Suppe eines Rennens sein, vor allem wenn an ungünstigen Stellen ein Führungsfahrzeug auf sie aufläuft oder sie vielleicht auch nur aus der Distanz für verwirbelte Luft sorgen. Ungünstige Stellen zum Überrunden gäbe es in Suzuka ja genügende, nur gab es eben nicht genügend Überrundete. Lance Stroll war der einzige Pilot, der mit über einer Runde Rückstand ins Ziel fuhr.

1-Stopp-Strategie (fast) alternativlos: 20 Fahrer, 21 Formel-1-Boxenstopps

Ohne Ausfälle oder Überholmanöver könnte ja noch die Strategie für Spannung sorgen. Aber sonderlich viel Varianz gab es davon in Suzuka leider nicht – vor allem nicht auf den Punkte-Positionen. Wie schon vor dem Rennen von Pirelli prognostiziert, war die 1-Stopp-Strategie mit Medium-Hard die beste Wahl.

Lewis Hamilton, der auf Hard gestartet war, und Andrea Kimi Antonelli, der seinen ersten Stint verlängerte, sorgten für ein Mindestmaß an Abwechslung. Allerdings zeigten die Reifen vor allem aufgrund des neu asphaltierten ersten Sektors fast keinen Performance-Verlust, so führten auch diese alternativen Strategien zu wenig Bewegung. Lance Stroll als abgeschlagener Letzter war der einzige Fahrer, der zweimal an die Box kam. Die Bilanz: 21 Boxenstopps bei 20 Fahrern.

Top 6 unverändert: Das gab es auf einer permanenten Formel-1-Strecke noch nie

Eine ereignisarme erste Runde, kaum Überholmanöver, keine Ausfälle, strategische Einöde und gerade mal eine einzige Überrundung. Das war (leider) das diesjährige Formel-1-Rennen auf einer der spektakulärsten und beliebtesten Strecken des Rennkalenders. In der Endabrechnung führte das dazu, dass die Top 6 in exakt jener Reihenfolge ins Ziel fuhren, in der sie auch auf die Startaufstellung gerollt waren.

Das gab es in der Geschichte der Formel 1 bislang erst viermal. Jedenfalls, wenn man den umstrittenen Belgien-GP, der aus weniger als einer gewerteten Runde hinter dem Safety Car bestand, als Rennen wertet. Bleiben nur noch der Monaco-GP 2018, der Singapur-GP 2018 und das F1-Rennen in Monte Carlo im Vorjahr, allesamt Stadtkurse. Suzuka hält nun also die zweifelhafte Ehre, der erste permanente Formel-1-Kurs zu sein, auf der die Startaufstellung von P1 bis P6 exakt dem Rennergebnis entspricht.

McLaren hätte dem Rennen möglicherweise etwas Schwung verleihen können. Denn Oscar Piastri war am Funk überzeugt davon, dass er Max Verstappen schlagen könnte, wenn man ihn an Teamkollege Norris vorbeidirigieren würde. Das Team entschied sich aber gegen eine Teamorder.