Christian Menath
Ressortleiter Formel 1
Schnüffelt gerne am Print-Magazin, gibt mit seiner bestandenen Steward-Prüfung an, hält lange Monologe, war einst gut im Mario Kart – und liebt die F1 bedingungslos.MEHR
1. Warum war Red Bull so schlecht?
0,356 Sekunden auf eine Qualifying-Runde, 22,896 Sekunden auf die Renndistanz von 72 Runden: Lando Norris’ Vorsprung auf Max Verstappen war in Zandvoort gigantisch. Dafür gab es mehrere Gründe. Einerseits war McLaren besonders stark.
Die Streckencharakteristik mit vielen langgezogenen Kurven kam dem orangenen Boliden entgegen. McLarens alte Schwäche ist nun eine große Stärke. Dazu liebt der McLaren niedrige Temperaturen. An der Nordseeküste stieg das Quecksilber im Spätsommer auf maximal 20 Grad Celsius. Dazu kam das erste McLaren-Update seit dem Miami GP – und natürlich funktionierten die neuen Teile schon wieder auf Anhieb.
Dazu kam, dass Red Bull erneut nicht in Topform war. Max Verstappen war einmal mehr nicht mit der Balance seines RB20 zufrieden. Vorder- und Hinterachse passten das gesamte Wochenende über nicht recht zusammen.
Und: Red Bull hatte sich beim Flügel-Setup verzockt. Weil man mit stärkerem Reifenabbau rechnete, fuhr Verstappen mit einem größeren Flügel. Auf der Ziellinie wurde der Weltmeister im Qualifying mit lediglich 322 Stundenkilometer gemessen – Rang 18. Teamkollege Sergio Perez belegte mit 329,3 km/h den Spitzenplatz. Im Rennen zahlte sich das Setup aber nicht aus, weil die Reifen weniger stark abbauten, als man das bei Red Bull zuvor angenommen hatte.
2. Mit welcher Spezifikation konnten die Williams-Piloten starten?
Am Samstagabend wurde Alexander Albon aus der Wertung genommen, weil der Unterboden seines Williams’ zu breit war. Das britische Team hatte ein Update nach Zandvoort gebracht, bei dem auch der Unterboden überarbeitet wurde. Obwohl man bei Williams mehrfach in der Fabrik und an der Strecke nachgemessen hatte, war das Teil nicht regelkonform. Bei Logan Sargeant fiel es nicht auf, weil er nach seinem FP3-Crash nicht am Qualifying teilnehmen konnte.
Am Sonntag standen beide Williams-Boliden trotzdem in der Startaufstellung – und beide waren mit den neuen Teilen unterwegs. Andernfalls hätte Albon aus der Boxengasse starten müssen, weil eine andere Spezifikation einen Bruch der Parc-ferme-Regeln bedeutet hätte. Von den Williams-Verantwortlichen stand niemand Rede und Antwort darüber, wie man den Unterboden ‘legal bekommen’ hat. Unsere Recherchen ergaben, dass es sich um lediglich 3 Millimeter handelte, die das Teil an einer Stelle zu breit war. Da konnte man wohl an der Strecke noch Hand anlegen.
3. Warum startete Kevin Magnussen aus der Boxengasse?
Eigentlich hatte sich Kevin Magnussen auf Startplatz 15 qualifiziert. Durch die Strafversetzung von Lewis Hamilton und die Disqualifikation von Alexander Albon wäre der Haas-Pilot auf Platz 13 ins Rennen gegangen. Weil man sich davon keine großen Chancen ausrechnete, stockte man lieber den Motorenpool auf. Für den Einsatz der zusätzlichen Batterie und der dritten Steuereinheit in der Formel-1-Saison 2024 hätte es eigentlich nur eine Strafversetzung gegeben. Weil der Wechsel während des Parc-fermes stattfand und nicht von Jo Bauer genehmigt wurde, musste Magnussen aus der Boxengasse hinterherfahren.
4. Half Kevin Magnussen schon wieder Nico Hülkenberg?
Es war eine ungewöhnliche Szene, die sich am Ende von Runde 39 auf Start und Ziel ereignete: Kevin Magnussen wurde auf der Geraden von vier Autos gleichzeitig überholt. Und das lag nicht nur daran, dass der Däne auf uralten Reifen unterwegs war. Magnussen sollte die Gruppe hinter sich aufhalten, um Teamkollege Nico Hülkenberg ein Polster zu verschaffen. Der Deutsche wusste davon nichts, Magnussen bestätigte die Taktik aber.
“Kevin ist ein richtiger Teamplayer”, ärgerte sich Konkurrent Alexander Albon, der die Spielchen teilweise für gefährlich hielt. Nach Saudi Arabien und Miami war es bereits das dritte Mal, dass Magnussen die Konkurrenz für Hülkenberg einbremste. Diesmal blieb sein Einsatz allerdings unbelohnt: Hülkenberg wurde in den Schlussrunden noch eingeholt und fuhr auf Platz elf ins Ziel.
5. Warum war Mercedes so schlecht?
Drei Siege aus den letzten vier Rennen und dann das: George Russell und Lewis Hamilton kamen beim Großen Preis der Niederlande nur auf den Plätzen sieben und acht ins Ziel. Dabei sah man in den Trainingssitzungen noch so konkurrenzfähig aus. Im Qualifying gab es zwei Rückschläge: Mit großem Rückstand wurde Russell nur Vierter, Hamilton schied gar schon im Q2 aus und bekam noch eine Strafe. Obwohl sich Russell nach dem Start auf Platz drei wiederfand, ging für ihn im Rennen wenig.
Von Charles Leclerc wurde Russell in der Box überholt, von Oscar Piastri auf der Strecke. Weitere Positionen verlor er durch einen zusätzlichen Stopp, den Mercedes für sinnvoll erachtete. Ob er wirklich nötig gewesen wäre, ist fraglich. Hamilton konnte sich von Platz 14 nach vorne kämpfen, nach einem Bremsplatten war aber auch bei ihm eine Zweistopp-Strategie besiegelt.
Doch auch unabhängig davon war Mercedes zu langsam. Auf den frischen Reifen reichte es am Ende noch nicht einmal für die schnellste Rennrunde, die sich Lando Norris auf den uralten Hards holte. “Wir müssen sehen, ob wir etwas Falsches ans Auto gebaut haben”, meint Teamchef Toto Wolff. Nur mit dem Setup ist der Performance-Abfall nicht zu erklären. Mercedes holte am Freitag zunächst für Tests das in Spa verworfene Unterboden-Update aus dem Keller, das restliche Wochenende fuhren beide Piloten mit den neuen Teilen.
6. Wie kam Leclerc aufs Podium?
Während Mercedes überraschend viel Performance während des Wochenendes einbüßte, legte Ferrari im Rennen plötzlich zu. “Damit hatte ich nicht gerechnet”, sagte Charles Leclerc nach seinem dritten Platz. Tatsächlich tut sich Ferrari in der Formel-1-Saison 2024 schwer, die Reifen für die Qualifikationsrunde ins Fenster zu bringen. Im Renntrimm funktioniert das schwarze Gold dann allerdings. Von Platz sechs gestartet, gewann Leclerc eine Position direkt am Start gegen Sergio Perez.
Neben der Performance-Differenz zwischen Qualifying und Rennen hatte Ferrari auch noch eine gute Strategie. Der frühe Boxenstopp in Runde 24 brachte Leclerc gleich zwei Positionen. George Russell, der eine Runde später stoppte, fiel direkt hinter den Ferrari-Piloten zurück. Oscar Piastri stoppt erst in Runde 33 und fiel zunächst weit zurück. Auch mit großem Reifen-Offset biss sich der Australier aber später die Zähne an Leclerc aus.
7. Warum war Piastri so viel langsamer als Norris?
Zuletzt schien es so, als würde Oscar Piastri Lando Norris langsam den Rang ablaufen. In Zandvoort war es anders. Im Ziel hatte der Australier 27 Sekunden Rückstand auf seinen Teamkollegen. “Weil ich ständig im Verkehr war, konnte ich meine echte Pace nicht zeigen. 60 von 72 Runden war ich eine Sekunde hinter einem anderen Fahrer”, klagte Piastri. Doch auch in der Qualifikation war Piastri schon fast eine halbe Sekunden langsamer. Während Norris ohne große Probleme an Verstappen vorbeiging, tat sich Piastri auch beim Überholen schwer. Norris war in Zandvoort einfach eine Klasse für sich.
8. Warum konnte Haas nicht rechtzeitig nach Monza aufbrechen?
Haas baute nach dem Rennen wie alle anderen Teams auch Hospitality und Garage ab und packte zusammen. Allerdings konnten die Trucks des Teams die Niederlande am Sonntagabend noch nicht verlassen. Grund ist ein Rechtschreit mit Ex-Sponsor Uralkali. Laut einem Gerichtsentscheid muss Haas dem russischen Bergbauunternehmen von Dimitri Mazepin 12 Millionen US-Dollar plus Zinsen und Gebühren zurückzahlen. Uralkali leitete in den Niederlanden rechtliche Schritte ein, weil die Zahlung seit über zwei Monaten überfällig ist.
Nachdem schon der Gerichtsvollzieher in Zandvoort Inventur bei Haas machte, will der US-amerikanische Rennstall noch am Freitag die Zahlung vorgenommen haben. Allerdings war das Geld bis Sonntagabend nicht auf den russischen Konten. Solange das Geld nicht bei Uralkali eingegangen war, durften die Haas-Trucks die Niederlande nicht verlassen. Erst am Montagmittag traf die Bestätigung ein, dass die Zahlung erfolgreich einging. Haas kann sich also mit etwas Verspätung auf den Weg nach Monza machen kann.
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