Markus SteinrisserAnalyse
Formel 1 Ressort
Seit 2018 im F1-Team. Der Mann fürs Textliche. Nichts ist schöner als Action auf- und abseits der Strecke, fusioniert zum großen Feature.MEHR

Die ersten zwei Trainings der Formel 1 2025 sind in Australien geschlagen, damit ist es Zeit für die erste Trainings-Analyse des Jahres von Motorsport-Magazin.com. Und – sind wir jetzt schlauer als nach den Testfahrten? Auf jeden Fall. Vor allem, weil es nicht die McLaren sind, welche für die Schlagzeilen sorgen. Ferrari meldet Favoriten-Ansprüche an, und Williams – noch viel unerwarteter – stürmt in die Spitzengruppe.
Ferrari sollte eigentlich keine Überraschung sein. Charles Leclerc hatte schon am Donnerstag in Australien keine großen “McLaren-ist-besser”-Ansagen geliefert, anders als viele der anderen Kontrahenten. Vielmehr hatte er hervorgehoben, dass sich Ferrari in den Testfahrten nie wirklich auf ein optimales Setup fokussiert hatte
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Als am Freitagvormittag in Australien im 1. Training die Setup-Arbeit so richtig losging, war es Leclerc, der schnell in den Rhythmus fand. FP1 schloss er noch mit zwei Zehnteln Rückstand auf Lando Norris ab. Im 2. Freien Training war er zwar nicht mit großem Vorsprung, aber doch klar der schnellste Fahrer. Sowohl anfangs auf den Medium, als auch in der Qualifying-Simulation auf dem Soft markierte er die Bestzeit.
Leclerc zockt Norris & Piastri im Australien-Training ab
Leclerc musste allerdings zweimal ansetzen. Mit den neuen Soft wollte der Ferrari im letzten Sektor nicht mehr. Nach zwei Abkühlrunden und einer Frontflügel-Verstellung in der Box schaffte Leclerc dennoch mit den alten Soft-Reifen spät noch eine 1:16.439. Dabei entschied der letzte Sektor, in dem der SF-25 diesmal wie ein Brett lag. Auch McLaren brauchte mehrere Versuche, das macht die Zeiten durchaus vergleichbar.
Aber die Verfolger Oscar Piastri und Lando Norris verloren in den letzten Kurven eineinhalb respektive zwei Zehntel. Sonst ist das Spitzentrio extrem eng beisammen. McLaren verliert in langsamen Kurven, robbt sich aber durch den schnellen Mittelsektor wieder heran. Ein Schnappschuss, der auf die inzwischen seit weit über einem Jahr wohl bekannten Unterschiede in den Auto-Charakteristiken der beiden Teams hindeutet.
Norris ortet Potenzial, ist aber mäßig enthusiastisch über das Handling: “Ich habe kein Vertrauen in Sachen Balance und Konstanz, besonders mit wenig Benzin.” Mit vollen Tanks war es besser. Da griff McLaren nach der Favoritenrolle, mit dem schnellsten Longrun-Schnitt. Leclerc zehrte auch hier von einem Vorteil in langsamen Kurven, schien es insgesamt aber konservativ angelegt zu haben – mit fortschreitendem Longrun wurde er in schnellen Kurven besser.
Ein um eine Zehntel schlechterer Schnitt ist eigentlich zu vernachlässigen. McLaren fällt dafür über das ganze Training hinweg mit einem leichten Topspeed-Vorteil auf. Motormodus – oder, nachdem es konstant auch im Longrun der Fall ist, ein besonders aerodynamisch effizientes Auto? Es sei angemerkt, dass das Team seit Monaten Letzteres als wichtiges Ziel für die neue Saison ausgegeben hatte.
Australien-Zaungast Williams in der Formel-1-Spitzengruppe: Was ist da los?
Am Freitagabend haben sich Leclerc, Norris und Piastri sowohl auf eine Runde als auch im Dauerlauf als erste Favoriten etabliert. Lewis Hamilton hatte den ganzen Tag in Australien mit der Vorderachse zu kämpfen und blieb am Ende sogar hinter dem Racing Bull von Yuki Tsunoda auf dem fünften Platz hängen. Den kann man vorne aber erst einmal rausnehmen: Hier wurden schon die Tanks geleert und der Honda-Motor aufgedreht. Auch, um Rookie Isack Hadjar erstmals dieses Gefühl zu geben. Bei den Tests hatte er es noch nicht gehabt.

Viel interessanter ist da das wiederholte Auftauchen von Williams – auch in der Longrun-Tabelle. Alex Albon konnte sogar die zweitschnellste Longrun-Zeit für sich verbuchen. Und das, nachdem Carlos Sainz im 1. Training die zweitschnellste Shortrun-Zeit hinter Norris gefahren war. Albon war nur wegen eines Fahrfehlers bedingt durch (bis FP2 aussortierte) Bremsprobleme deutlich langsamer. Das lässt erst einmal aufhorchen. Teamchef James Vowles mahnte in der Mittagspause zur Vorsicht: “Ich bin mir sicher, dass wir ein anderes Programm gefahren sind.”
Albons Longrun ist etwas kürzer, das mindert die Aussagekraft. Andererseits ist aber auch der Sainz-Longrun nur eine halbe Sekunde langsamer als Norris und Bestwert im Mittelfeld. “Es ist so eng, jeder kann mit einer guten Runde in Q3 kommen”, prognostiziert Sainz. Sorgen macht sich Williams um einen Rückschritt auf eine Runde im zweiten Training.
Viele Teams waren zwar überrascht von sich doch deutlich anders verhaltenden Soft-Reifen, womöglich weil die Strecke in FP1 schnell zulegte, in FP2 dann aber stagnierte. Aber kaum wer war so überrascht wie Sainz und Albon. “Fühlt sich nicht richtig an”, meint Albon. Sainz knackte nicht einmal seine Medium-Zeit. Man muss hier nachlegen, sonst läuft man Gefahr, im engen Feld Q3 nicht zu schaffen.
Mercedes & Red Bull nicht wirklich im F1-Mittelfeld?
Im Longrun finden sich vorne an der Spitze beide Mercedes und Max Verstappen auch wieder. Auf eine Runde waren sie nirgendwo. Mercedes haderte ähnlich wie Williams mit den weichen Reifen. “Die Pace ist im Auto, wir müssen sie nur rauskriegen”, glaubt George Russell.
Starke Longrun-Zeiten sind beschränkt aussagekräftig. Mercedes fuhr als einziges Team auf Hard, der sollte besser über die Distanz halten. Sonst wollte niemand einen der beiden Hard-Sätze hergeben und sich womöglich eine Zweistopp-Strategie ruinieren, sofern es nicht regnet. Wenngleich Pirelli festhält: Die 2025 neuen Reifen sind deutlich widerstandsfähiger gegen den Graining-Effekt, erst recht als sich die Strecke in FP2 stabilisierte. Verschleiß war ebenfalls niedrig. Man kann damit wohl 10 Runden länger fahren als noch im Vorjahr.
Red Bull führte von Beginn an Tests mit verschiedenen Teilen an den Autos von Verstappen und Liam Lawson fort. Was man für FP2 änderte, machte den RB21 unerwartet nervös und ließ Verstappen auf Platz sieben hängenbleiben. Zwischen Qualifying-Simulation und Longrun stand er daraufhin lange in der Box, um erneut größere Setup-Änderungen vorzunehmen. Bis FP3 wird in Milton Keynes der Simulator heiß laufen, um die ideale Konfiguration zu identifizieren.
“Die Zeit von McLaren geht nicht, da fehlen uns zwei bis drei Zehntel”, rechnet Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko trotzdem schon vor. Besser sah es nach der Setup-Änderung bei Verstappen im Renn-Trimm aus. Mit vollen Tanks tastete er sich langsam heran, war in schnellen Kurven besser als Norris. Am Ende klammerte er sich hinten an der Spitzengruppe fest. “Seine beste Runde war eine 21,5, genau drei Zehntel weg von der besten Norris-Zeit”, so Marko. Auch im Schnitt fehlten drei Zehntel. “Aber wir können das Setup noch besser machen.”
Während Verstappen in der Spitzengruppe mitmischt, war Liam Lawson schlicht nicht gut. Komfortabel, aber langsam, so das Fazit. Warum, weiß er nicht. Im Longrun war er desolat unterwegs, nur Gabriel Bortoleto im Sauber war langsamer. Verglichen mit Mercedes-Rookie Kimi Antonelli, für den es ebenfalls das erste Mal hier in Australien (und mit den C5-Pirellis) ist, sieht es bislang für Lawson nicht gut aus, egal wie groß der Konfigurations-Unterschied zu Verstappen sein mag.
So pendelt sich das Feld nach den ersten Trainings in Australien mit einem durchaus nachvollziehbaren Ergebnis ein. McLaren und Charles Leclerc haben bisweilen einen kleinen Vorteil. Lewis Hamilton, Max Verstappen und Mercedes sind hintendran, aber nicht zu unterschätzen. Williams ist stark, aber wohl nicht ganz stark genug, um sich wirklich aus dem Mittelfeld zu befreien.
In dem übrigens Nico Hülkenberg kurz aufzeigte. Nachdem er wegen eines Ausritts seinen Unterboden hatte tauschen müssen, legte er erst eine starke Qualifying-Simulation hin und war dann im Longrun voll im Mittelfeld dabei. Aufgepasst heißt es dort jedoch auch: Pierre Gasly im eigentlich stark eingeschätzten Alpine hatte in FP2 mit Bremsproblemen zu kämpfen, seine Zeiten sind nicht sehr aussagekräftig.
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