Moritz Wimmer
Formel 1 Ressort
Leidenschaftlicher Motorsportenthusiast mit einer Schwäche für verschachtelte Sätze und einer (angeblichen) optischen Nähe zu Charles Leclerc.MEHR
Lange war es in der Formel 1 nicht mehr so hart umkämpft, wie in der aktuellen Saison. 42 Punkte trennen zur Sommerpause Spitzenreiter Red Bull vor dem ersten Verfolger McLaren. Auch in der Fahrerwertung ist es eng wie lange nicht mehr, wenn auch nicht ganz so stark wie in der Team-WM. 78 Punkte liegt Lando Norris nach 14 Rennen hinter Max Verstappen. Beide Rückstände könnten allerdings noch knapper ausfallen, wenn McLaren und Norris nicht einige Fehler eingestreut hätten. Wir blicken auf die verpassten Siegchancen zurück.
China-Sprint: Norris lässt sich am Start abkochen
Im Qualifying für den Sprint in China zeigte sich McLaren zum ersten Mal so richtig konkurrenzfähig. Norris stellte seinen MCL38 mit 1,261 Sekunden Vorsprung vor Lewis Hamilton auf die Pole Position, Verstappen kam nicht über Startplatz vier hinaus. Doch bereits nach der ersten Kurve im Sprint waren die Hoffnungen auf den Sieg verflogen. Norris erwischte einen schwachen Start von der Linie weg und ließ sich von Hamilton in die Auslaufzone drängen. Am Ende kam der McLaren-Fahrer nicht über den sechsten Platz hinaus. Verstappen konnte hingegen ungefährdet den Sieg einfahren. Punktverlust: 5 Punkte.
Kanada GP: McLaren verschläft den Boxenstopp
Ein paar Wochen später befand sich Norris wieder in einer aussichtsreichen Position. Bei wechselhaften Bedingungen in Kanada stürmte der McLaren-Fahrer an die Spitze und erarbeitete sich einen Vorsprung von über elf Sekunden. Der MCL38 war erneut das schnellste Auto auf der Strecke. Doch in Runde 25 wendete sich durch ein Safety-Car das Blatt. Eigentlich hätte Norris noch die Möglichkeit gehabt zu reagieren und die Safety-Car-Phase für einen günstigen Boxenstopp zu nutzen. Doch McLaren verpasste es, seinen Fahrer an die Box zu rufen. Erst eine Runde später entschied man sich für den Reifenwechsel, doch da war die opportunistische Konkurrenz um Verstappen und Co. – durch den Stopp eine Runde zuvor – bereits vorbeigegangen. Am Ende konnte sich Norris noch auf Platz zwei vorarbeiten. Nächste Sieg-Chance weggeschmissen. Punktverlust: 7 Punkte.
Spanien GP: Wieder Norris-Probleme am Start
Nur ein Rennen später bot sich McLaren und Norris die nächste Top-Gelegenheit. In Barcelona sicherte sich der Brite die Pole Position und teilte sich die erste Startreihe mit Verstappen. Wieder hatte Norris das schnellste Auto, wieder wurde es nichts mit dem Sieg. Erneut war der Start der Übeltäter. Norris kam mal wieder schlecht von der Linie weg und musste sowohl Verstappen als auch einen überragend gestarteten Russell passieren lassen. Danach war das Kind in den Brunnen gefallen. Verstappen angelte sich früh die Führung, Norris verbrachte die meiste Zeit damit, Russell wieder zu überholen. Am Ende reichte es wieder nur für den zweiten Platz, Verstappen triumphierte mit seiner ganzen Erfahrung im WM-Kampf. Immerhin die schnellste Runde konnte sich Norris noch sichern. Punktverlust: 6 Punkte.
Österreich: Norris zieht im Verstappen-Duell den Kürzeren
In Österreich hagelte für Lando Norris und McLaren im Kampf um den Titel die herbste Niederlage. Zuerst ließ sich Norris im Sprint von Verstappen abkochen, nachdem der Brite in Kurve 3 eigentlich schon die Führung übernommen hatte. Doch Verstappen konterte und erwischte Norris komplett auf dem falschen Fuß. Der verlor gleich auch noch einen Platz gegen seinen Teamkollegen Oscar Piastri und der dritte Platz war besiegelt.
Im Rennen darauf eskalierte der Kampf der WM-Kontrahenten. Spät im Rennen wurde Norris durch einen schlechten Red-Bull-Pitstop und einen Verstappen-Fehler noch einmal die Chance auf einen Sieg geschenkt. Doch Norris demonstrierte in den Zweikämpfen gegen Verstappen in den letzten Runden eine Stümperhaftigkeit, die keinem F1-Champion gerecht war. Mehrmals schoss er beim Überholversuch über die Kurve hinaus, konnte sich dabei nie nachhaltig durchsetzen. Irgendwann wurde es auch Verstappen zu bunt, der sich selbst mit einem grenzüberschreitenden Manöver verteidigte und dabei sowohl seinen Red Bull als auch den McLaren beschädigte. Dennoch war Verstappen am richtigen Ende der Fahnenstange. Während der Weltmeister noch den fünften Platz nach Hause bringen konnte, musste Norris mit dem Sieg vor den Augen das Rennen aufgeben. Punktverlust: 9 Punkte .
Silverstone: McLaren schmeißt das Ass im Ärmel weg
In Silverstone fanden die McLaren-Fehler in puncto Tragweite und Häufigkeit ihren bisherigen Höhepunkt. In komplizierten und wechselhaften Bedingungen führten die Papaya-Orangenen ihr Heimrennen zwischenzeitlich sogar mit beiden Fahrern an. Doch dann begann die Fehlerkette.
Zunächst ließ McLaren Piastri bei einsetzendem Regen eine Runde länger auf der Strecke, um einem zeitfressenden Doppel-Boxenstopp aus dem Weg zu gehen. Problem: Die Extra-Runde auf nasser Strecke mit Slick-Reifen kostete Piastri um ein Vielfaches mehr Zeit und die Chance auf den Sieg war dahin. Doch die Strategie-Fehler hörten nicht bei Piastri auf.
Mit Lando Norris verpasste es das Team, seinen Fahrer bei wieder trocknender Strecke zum Boxenstopp zu holen. Dadurch konnte Lewis Hamilton auf der Strecke vorbeiziehen. Allerdings hatte McLaren als einziges Team einen für die Restlänge des Rennens eigentlich perfekt geeigneten Medium-Reifen aufgespart. Doch aus Angst, Hamilton würde davonziehen, entschied sich das Team ebenfalls für den Soft-Reifen. Das Resultat: Norris gingen die Reifen ein und er musste kampflos sogar noch Max Verstappen geschlagen geben. Punktverlust: 10 Punkte.
Bilanz: McLaren und Norris geben WM-Führung aus der Hand
Wenn wir allein die Punkte aus den verpassten Siegchancen aufsummieren, sind McLaren und Lando Norris bis zur Sommerpause 37 Punkte durch die Hände geglitten. Rechnen wir diese auf den aktuellen WM-Stand und korrigieren zusätzlich die Punkte von Red Bull und Verstappen zeigt sich, dass McLaren den WM-Rückstand komplett ausgleichen würde. Lando Norris hätte statt 78-Punkte-Rückstands nunmehr einen deutlich einholbareren 36-Punkte-Rückstand. Die Statistik zeigt: Die Angst von Red Bull, McLaren könnte mit etwas mehr Kaltscheuzigkeit die Konstrukteurs-WM aufholen, ist real.
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