Für George Russell gab es beim Formel-1-Rennen in Mexiko viel Grund für Missmut. Und die schwache Pace des Mercedes, die nicht für ein Manöver gegen einen Haas ausreichte, war nur einer davon. Russell ärgerte sich im Rennen auch über eine lange hinausgezögerte Teamorder, die letztendlich fruchtlos blieb.

Aber für die größte Frustration sorgte gleich der Start. Bei diesem verlor der Brite eine Position und eigner Aussage zufolge auch seine Podiums-Chance, aber nur weil nicht alles mit lauteren Dingen zuging, ist er überzeugt. Der Zankapfel ist Kurve 1 auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez. Diese erreichten mit Lando Norris, Charles Leclerc, Lewis Hamilton und Max Verstappen gleich vier Fahrer praktisch nebeneinander, was logischerweise nicht gut ausging: Verstappen und Leclerc gingen über die Wiese. Russell befand sich auf P5 in der perfekten Zuschauerposition und findet, dass ihm eigentlich diese Positionen zustehen sollten.

George Russell versteht die Welt nicht mehr: Sie kürzen ab und nichts passiert

Vor allem Max Verstappen stach ihm dort ins Auge. “Verstappen ist komplett raus. Er hat die Kurve im Gras abgekürzt. Er muss mindestens den Platz zurückgeben”, forderte Russell noch am Funk. Später erweiterte er diese Anklage auf weitere ‘Übeltäter’: “Das ist verrückt. Diese Typen können durch das Gras abkürzen, ihre Plätze behalten und nichts passiert.”

Die Stewards griffen nicht ein. Es gab zwar Untersuchungen in Bezug auf Kurve 1, aber alle wurden schnell zu den Akten gelegt. “Ich habe ein Problem damit, zu verstehen, wie zwei Leute einfach die Kurve abschneiden und ihre Position behalten können”, ärgerte sich Russell nach dem Rennen. “Sie haben sich verschätzt, haben zu spät gebremst. Sie haben einen Fehler gemacht. Aber sie dürfen einfach die Kurve abschneiden und weiterfahren, als ob es keine Strafe für ihre Fehler gibt.”

Russell fühlt sich um Podium betrogen: Ehrliche Fahrer werden benachteiligt

Russell ist überzeugt: “Wir hatten heute zwar die Pace nicht, aber wenn wir auf P3 durch die erste Kurve kommen, dann wären wir auf P3 ins Ziel gekommen.” Nach dieser Logik kosteten Leclerc und Verstappen dem letztendlich Siebtplatzierten sogar ein Podium. “Leclerc hat gar nicht erst versucht, die Kurve zu erwischen und Verstappen ging volles Risiko und erwischte es dabei falsch”, redete sich Russell in Rage, “und die Fahrer, die das richtige getan haben, sind diejenigen, die am schlechtesten aussteigen.”

Der Start bei der Formel 1 in Mexiko
Russell war vor Kurve 1 schon hinter dem Führungsquartett, Foto: IMAGO / NurPhoto

Der erste Kurvenkomplex in Mexiko ist eine neuralgische Stelle für derartige Kontroversen, da die Schikane bei einem Fehler dazu einlädt, sich auf der anderen Seite der Grasfläche wieder einzufädeln. Noch viel älter als die Diskussion an dieser Stelle ist ohnehin die Diskussion über die Definition davon, was es bedeutet, wenn ein Fahrer “von der Strecke abkommt und sich dadurch einen Vorteil verschafft.” In der Regel greifen die Stewards nur bei einem feststellbaren Zeitgewinn oder einem Positionsgewinn des Täters ein, aber Russell befand sich in Kurve 1 schon längst klar hinter Verstappen oder Leclerc.

Es war im Übrigen noch nicht das Ende des Ärgers für Russell. Denn in der sechsten Runde wurde er als Kollateralschaden in das harte Duell zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen vor ihm verwickelt. Nachdem sich die beiden Vielfach-Weltmeister in Turn 4 im Duett verbremst hatten, ließ Verstappen in Kurve 5 Russell außen keinen Platz. Der Mercedes kam neben die Strecke und verlor zwei weitere Ränge gegen Kimi Antonelli und Oliver Bearman. “Falscher Ort, falsche Zeit für mich. Aber das hätte auch eine Strafe nach sich ziehen sollen”, so Russell.

Lewis Hamilton versteht Entscheidungen nicht: Warum wurde nur ich bestraft?

Bestraft wurde in diesem Zusammenhang aber nur einer und das war Lewis Hamilton, der nach dem Verbremser in Kurve 4 vor Verstappen wieder auf die Strecke zurückkehrte. Die folgende 10-Sekunden-Strafe war der vorwiegende Grund dafür, dass der zuvor Drittplatzierte auf P8 zurückfiel und dort auch die Ziellinie überquerte.

Der Formel-1-Rekordweltmeister zeigte Unverständnis über diese Strafe, denn er sieht keinen Unterschied zu den Aktionen der anderen Piloten vom Rennbeginn. “Ich hatte einen großartigen Start, bremste gut in Kurve 1, war Zweiter, als ich durch 1 und 2 durchfuhr”, erinnert er an den Start, “andere schnitten die Kurven ab, hielten ihre Positionen und bekamen keine Strafen dafür.”

“Dass ich dann der Einzige bin, der eine 10-Sekunden-Strafe bekommt, ist irgendwie verrückt”, ärgerte sich der Rekord-Weltmeister. Die Argumentation der Stewards war, dass sich Hamilton mit seinem Manöver einen illegalen Vorteil erarbeitet habe. Vor dem Anbremsen in die Kurve lag er hinter Verstappen, nach seinem Ausritt ins Gras vor ihm. Dass der Niederländer seinerseits in Kurve 2 die Strecke abgeschnitten hatte, spielte dabei keine Rolle.