Florian Niedermair
Formel 1 & Motorsport Ressort
Italiener auf dem Papier, Österreicher im Herzen. Die meiste Zeit mit der Formel 1 beschäftigt, aber gerne auch mal bei anderen Rennserien in Aktion.MEHR
Beim Formel-1-Wochenende in Baku vollzog sich ein Umsturz. Der Sieg von Oscar Piastri und der vierte Platz von Lando Norris kippten die Konstrukteurs-Meisterschaft endgültig zugunsten von McLaren. Nachdem die Papaya-Orangen seit Monaten rapide zu Red Bull aufgeschlossen hatten, war der Aserbaidschan-GP der letzte Tropfen, den sie benötigten.
Dabei war der Unfall von Sergio Perez mit Carlos Sainz auf der vorletzten Runde des Rennens nicht einmal ausschlaggebend. Auch zuvor war McLaren in der provisorischen Formel-1-WM schon vor den Bullen. Für das britische Traditionsteam schließt sich damit ein Kapitel von zehn Jahren. So lange ist es nämlich schon her, dass McLaren in der Formel 1 die Tabelle anführte.
Die Geister von Australien 2014: Als McLaren zuletzt in der Formel 1 führte
Sogar etwas mehr als zehn Jahre, um genau zu sein: Am 16. März 2014 war McLaren dank eines Ausfalls von Mercedes-Pilot Lewis Hamilton beim Australien-GP das erste Team überhaupt, das unter dem Hybrid-Reglement der Formel 1 die Tabellenführung eroberte. Die Fahrer damals: Kevin Magnussen und Jenson Button, die nach der Disqualifikation von Daniel Ricciardo die Plätze 2 und 3 erobert hatten.
Zwei Wochen später war nach dem Malaysia-GP 2014 die Führung dann auch wieder futsch. Es dauerte nur schlappe 219 Rennen oder 3822 Tage, ehe McLaren nun wieder an der Spitze thront. Nur zum Vergleich: Der damals amtierende F1-Weltmeister hieß Sebastian Vettel, der amtierende Fußball-Weltmeister Spanien. Der F1-Film ‘Rush’ war erst wenige Monate alt.
In der Zwischenzeit ging McLaren durch ein tiefes Tal, bei dem zwischenzeitlich kein Ende in Sicht war. Nachdem das Team nach 2014 den Mercedes-Motoren den Rücken gekehrt hatte, gab es den sportlichen Totalabsturz. Die Partnerschaft mit Honda dauerte zwar bis 2017 an, führte aber zu keinen sportlichen Erfolgen. Der Tiefpunkt waren die beiden vorletzten Plätze in der Konstrukteurs-WM 2015 und 2017.
Nach dem Umstieg auf Renault-Motoren 2018 und einer personellen Radikalkur stellte sich langsam wieder Erfolg ein. Beim Brasilien-GP 2019 feierte Carlos Sainz das erste McLaren-Podium seit fünf Jahren. Der erste Sieg erfolgte dann schon mit Mercedes-Antrieb 2021 durch Daniel Ricciardo beim Italien-GP.
McLaren in der Formel 1 seit 2014: Die Statistik
McLaren | Fahrer | Siege | Podien | Beste Platzierung | Punkte | Rennen |
---|---|---|---|---|---|---|
2014 | Button/Magnussen | 0 | 2 | 2. | 181 | 19 |
2015 | Button/Alonso | 0 | 0 | 5. | 27 | 19 |
2016 | Button/Alonso/Vandoorne | 0 | 0 | 5. | 76 | 21 |
2017 | Alonso/Vandoorne/Button | 0 | 0 | 6. | 30 | 20 |
2018 | Alonso/Vandoorne | 0 | 0 | 5. | 62 | 21 |
2019 | Norris/Sainz | 0 | 1 | 3. | 145 | 21 |
2020 | Norris/Sainz | 0 | 2 | 2. | 202 | 17 |
2021 | Norris/Ricciardo | 1 | 5 | 1. | 275 | 22 |
2022 | Norris/Ricciardo | 0 | 1 | 3. | 159 | 22 |
2023 | Norris/Piastri | 0 | 9 | 2. | 302 | 22 |
2024 | Norris/Piastri | 4 | 16 | 1. | 476 | 17 |
McLaren 2024: Wie kam es zur Konstrukteurs-Revolution?
In der Formel-1-Saison 2024 stach McLaren vor allem dadurch hervor, dass bei ihnen im Gegensatz zur Konkurrenz jedes Upgrade stichgenau saß. Obwohl die Papaya-Orangen eine konservative Entwicklungsstrategie verfolgten, ging es so laufend nach oben. Zu Saisonbeginn lag McLaren mit dem MCL38 noch klar hinter Red Bull und Ferrari zurück. Eine Kehrtwende bildete das Miami-Upgrade. Zuvor schien Red Bull außer Reichweite zu sein, doch im Longrun beeindruckte Lando Norris und lehrte den Bullen das Fürchten.
Dass der Sieg durch eine glückliche Safety-Car-Phase zustande kam, stellte diese Weichenänderung noch etwas in den Schatten. In den Wochen darauf wurden Duelle zwischen Norris und Verstappen um Rennsiege die Regel, allerdings dauerte es für McLaren lange, ehe Profit daraus geschlagen wurde. Durch Oscar Piastris beide Siege beim Ungarn-GP und in Aserbaidschan, sowie der zweite Saisonsieg von Norris in Zandvoort wurde dieses Makel inzwischen behoben.
Die Konkurrenz fürchtet McLaren seit Monaten und spricht – wohl auch zurecht – davon, dass McLaren im Querschnitt aller Strecken derzeit über das beste Auto verfügt. Lando Norris gab nach dem Niederlande-GP auch zu, dass dem so ist. Teamchef Andrea Stella zierte sich nach dem Formel-1-Rennen in Baku davor, dem allumfassend zuzustimmen. “Laut den Zahlen ist der McLaren auf einer gewissen Art von Strecken, wie etwas Barcelona, Ungarn oder Zandvoort, das schnellste Auto und zwar aus guten technischen Gründen. Hier hatte der McLaren keinen derartigen Vorteil”, sagte der Teamboss nach dem Formel-1-Rennen in Aserbaidschan.
Gewinnt Lando Norris auch die Fahrer-WM?
Dem Weg zum ersten WM-Titel in der Konstrukteurs-Meisterschaft seit 1998 scheint mit 20 Punkten Vorsprung auf Red Bull und 51 Zählern Guthaben auf Ferrari bei der derzeitigen Form nichts mehr im Weg zu stehen. Inzwischen scheint auch der Fahrer-Titel für Lando Norris realistisch möglich zu sein.
Der Brite liegt noch 59 Punkte hinter Max Verstappen, bei noch sieben verbleibenden F1-Rennen und drei Sprints erscheint dieser Rückstand durchaus einholbar. Während Norris inzwischen auf jeder Strecke zu den Sieganwärtern zählt, hat der amtierende Weltmeister seit dem Spanien-GP im Juni keinen einzigen Grand Prix mehr für sich entscheiden können. Der Trend geht also eindeutig in Richtung Woking.
Interessant ist in der Fahrer-WM allerdings: Seit dem Spanien-GP war sein McLaren-Teamkollege Oscar Piastri der mit Abstand erfolgreichste Pilot. Er holte an den letzten sieben Rennwochenenden insgesamt 41 Punkte auf Verstappen auf, während Norris im selben Zeitraum nur zehn Zähler gutmachte. Er liegt allerdings bereits 91 Punkte zurück.
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