Franco Colapinto wurde aus dem Nichts von Williams in die Formel 1 katapultiert. Wirklich aus dem Nichts. Dass das Team Logan Sargeant austauschen wollte, war bereits am Zandvoort-Wochenende klargeworden, doch der Name Colapinto stand nicht ganz oben auf der Kandidatenliste. Der 21-Jährige wusste selbst 24 Stunden vorher nichts davon. Was seiner Vorfreude und seinem Optimismus keinen Abbruch tut.

“Damit ihr es euch vorstellen könnt: Am Montag bin ich für mein Team MP [Motorsport] im Formel-2-Simulator gesessen, um mich auf mein F2-Rennen hier im Monza vorzubereiten”, so Colapinto bei seinem ersten offiziellen Formel-1-Medientermin am Donnerstag vor seinem Debüt beim Italien-GP. “Da könnt ihr euch vorstellen, wie spät es kam. Ich weiß nicht, wann sie daran gedacht haben.”

Zwar ist Colapinto seit eineinhalb Jahren Teil von Williams’ Nachwuchsförderung, fährt regelmäßig auch im F1-Simulator und debütierte in Silverstone in einem Freitags-Training. Trotzdem galten noch am Montag Erfahrenere wie Liam Lawson oder Mick Schumacher als Favoriten, um das Sargeant-Cockpit für die letzten neun Rennen zu übernehmen. Aber dass sie Ersatzfahrer waren und daher ihre Teams ein Rückrufrecht wollten, dürfte wohl Deals verhindert haben.

Franco Colapinto sieht sich in Monza Formel-1-fit

So landete Williams letztendlich bei Colapinto. Sechs Tage Vorlaufzeit bis zum Grand Prix? Kein Problem: “Ich bin immer bereit! Schon länger bin ich für sie ein Fahrer im Hintergrund. Natürlich bin ich ein Freies Training in Silverstone gefahren, habe da einen guten Job gemacht. Sie waren sehr zufrieden mit meiner Leistung, und das hatten sie glaube ich im Kopf.”

Williams feuert Logan Sargeant! Nachfolger nicht Wunschfahrer! (07:44 Min.)

Die Simulator- und Trainings-Erfahrungen ermöglichen einen flüssigen Übergang zum Einsatzfahrer: “Wir haben in sehr, sehr, sehr, sehr kurzer Zeit viele Dinge erledigt. Heute ist erst Donnerstag und in den paar Stunden haben wir sehr gut gearbeitet. Ich habe einen Sitz bekommen, habe mich sehr gut im Simulator vorbereitet. Renningenieur und Performance-Ingenieure waren sehr schnell darin, mir alle Informationen, Details und Tipps zu geben, um möglichst schnell auf Touren zu kommen.”

“Ich sitze im Auto, kenne das Lenkrad und viele Dinge, die sonst etwas schwierig sind”, sieht Colapinto die Lage daher entspannt. Sein Silverstone-Training dient ihm als Beweis dafür, dass er sich außerdem schnell anpassen kam. Dort erhielt er auch nur eine Woche vorab den Anruf: “Ich habe recht schnell in Silverstone reingefunden, nach ein paar Runden. Allzu besorgt bin ich nicht.”

Auch der Verlauf seiner bisherigen F2-Saison spricht für seine Anpassungsfähigkeit: “Die ersten drei Rennen waren hart, weil ich die Strecken nicht kannte, das Auto überhaupt nicht, weil ich keine Tests hatte. Alles war sehr neu. Aber dann habe ich einen großen Schritt nach vorne gemacht, habe Siege und Podien geholt. Mehr oder weniger der Schritt, den ich hier machen will.” Nach einem Sieg und zwei Podien ist er in der Formel 2 Gesamt-Sechster.

Keine Angst vor Formel 1: Colapinto will Chance jetzt nutzen

An seiner körperlichen Fitness hat Colapinto ebenso keine Zweifel. Die enormen g-Kräfte machen die Formel 1 schließlich zu einer anderen Hausnummer als die Formel 2. Wieder verweist er auf Silverstone: “Das ist denke ich eine der härtesten Strecken in Sachen g-Kräfte. Und da fühlte ich mich gut.”

Williams-Fahrer Franco Colapinto in der Box
Colapinto am Donnerstag in der Williams-Garage, Foto: LAT Images

“Ich erwarte nicht viel”, schränkt Colapinto trotzdem ein. Keine konkreten Zielvorgaben will er machen: “Mein Hauptfokus liegt auf mir selbst, um die bestmögliche Arbeit zu verrichten. Das Team hat sehr klare Ziele, auf die wir uns konzentrieren.” Sein Vorteil: Der Sitz gehört ihm für die letzten neun Rennen. Er muss also nicht sofort abliefern. Und er steht außerdem nicht unter dem Druck, für 2025 abliefern zu müssen, um in der Formel 1 zu bleiben.

Williams hat für 2025 bereits zwei Fahrer unter Vertrag. Beim letzten offenen Cockpit – Audi-Sauber – kursieren andere Namen. “Ich habe keine Ahnung, was nächstes Jahr angeht”, räumt Colapinto ein. Er will jetzt erst einmal genießen, dass er ein echter Formel-1-Fahrer ist: “Ich kann nur mehr als dankbar für die Chance sein.”

Mit seinem abgesägten Vorgänger Logan Sargeant hat er kurz gesprochen: “Ich verstehe, dass es sehr, sehr traurig für Logan ist, aber er hatte eine gute Zeit in F1, sah gut aus, und ich hoffe, er liefert ab, wo auch immer er als nächstes hingeht.” Für Mitleid ist in der Formel 1 nur beschränkt Platz: “Ich wollte in die Formel 1, seit ich sehr jung war. Du weißt nie, wann diese Chance wiederkommt. Natürlich nehme ich sie.”

Argentinien hat wieder einen Formel-1-Fahrer: Wer weiß, was noch geht

Bereit für die Party sind Tausende Argentinier. Colapinto ist der erste Fahrer des Landes seit Gaston Mazzacane 2001. Es war harte Arbeit für ihn, es bis hierher u schaffen. Als 14-Jähriger zog er allein nach Italien – wissend, dass er sich nur in Europa eine Formel-1-Chance erkämpfen könnte: “Das war hart, aber ich bin schnell aufgewachsen, weil ich Dinge tun musste die ich noch nie davor zu tun hatte.”

Sich in den teuren Nachwuchsklassen zu behaupten war nicht immer einfach. Colapinto dankt den bekannt leidenschaftlichen argentinischen Fans: “In der Vergangenheit hatte ich nicht immer das Budget. Also haben sie mir mit Lärm auf Social Media geholfen, wir haben ein paar neue Sponsoren gefunden.” Zumindest führte das bis zu neun F1-Rennen. Wie Fahrer wie Nyck de Vries zeigten: Hat man einmal den Fuß in der Tür, kann das mit deutlich mehr belohnt werden.