Die Formel 1 könnte zum siebten Mal in ihrer Geschichte ein neues Punktesystem bekommen.

Der Hintergrund: Williams, Alpine und Sauber stehen auch nach fünf WM-Rennen ohne einen einzigen WM-Punkt da. Das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches. Allein in den vergangenen 40 Jahren blieb 88-mal ein Team punktelos. 38 verschiedenen Teams ist das in diesem Zeitraum schon passiert. Es macht keinen Sinn, noch weiter in die Geschichte zurückzublicken. Denn je weiter zurück, desto mehr Kundenteams und Kundenfahrer verwässern das Bild.

Auch drei punktelose Teams sind keine Besonderheit. Zuletzt blieben 2012 drei Rennställe ohne Zähler. Aber es gibt zwei Einschränkungen: Die drei betroffenen Teams damals – Caterham, Marussia und HRT – waren unter falschen Voraussetzungen in die Formel 1 gelockt worden. Die Budgetobergrenze von 50 Millionen Dollar kam nicht. Alle drei Mannschaften waren drei Jahre lang chancenlos. Und: Damals gab es nicht zehn, sondern zwölf Teams. Neun haben 2012 also gepunktet, in diesem Jahr sind es nur sieben – bisher zumindest.

Sieben verschiedene Punktesysteme

Aber es geht noch wilder: 1990 waren sogar neun Teams ohne Punkte. Aber damals mischten auch 19 Teams gleichzeitig mit! 1989 zum Beispiel kamen 16 verschiedene Teams in die Punkte – ein bis heute gültiger Rekord. Und damals gab es ja auch nur für die ersten sechs Plätze Punkte. Und es gab nur 16 statt 24 Grands Prix – also acht Gelegenheiten weniger, in die Punkte zu fahren.

Nico Hülkenberg

Teams wie Haas haben es aktuell schwer in die Punkteränge zu fahren.

Bild: LAT / Pirelli

2024 ist also schon irgendwie anders. Punkte bekommen aktuell die ersten zehn Fahrer – nach dem Schema 25-18-15-12-10-8-6-4-2-1. Fünf Teams sind also auf jeden Fall in den Punkten. Das Problem: Es sind fast immer dieselben. Auf Red Bull, Ferrari, McLaren, Mercedes und Aston Martin fallen 98,8 Prozent der bisher ausgeschütteten Punkte. Also fast alle. Nur Racing Bulls und Haas haben bisher sieben respektive fünf Zähler abgreifen können.

Vergleichen wir auch diese Zahlen. Als Michael Schumacher 1991 sein Formel-1-Debüt gefeiert hat, gab es Punkte für die ersten sechs Fahrer – nach dem Schema 10-6-4-3-2-1. Drei Teams kamen daher immer sicher in die Punkte. Auf die Top-3-Teams fielen damals 79,3 Prozent der Punkte. Andere Teams hatten also viel mehr Chancen: Insgesamt zwölf sammelten Punkte, sechs standen mit leeren Händen da.

Ausfallquote immer geringer

2002 dominierte Schumi die Formel 1. Die Teamchefs drängten auf ein neues Punktesystem. Jetzt sollten die ersten acht Punkte bekommen – nach dem Schema 10-8-6-5-4-3-2-1. Ziel war damals, den Abstand zwischen Platz eins und Platz zwei zu schmälern. Für die kleineren Teams blieb es genauso schwer, Zähler zu ergattern. Fielen 2002 85 Prozent der Punkte auf die Top-3-Teams, so waren es 2003 eben 85 Prozent auf die Top-4-Teams.

Das aktuelle Punkteschema gibt es seit 2010. Mit einer weiteren Änderung 2019, seit die schnellste Rennrunde ebenfalls noch mit einem Punkt belohnt wird. 2010 fielen 90 Prozent der Punkte auf die Top-5, jetzt sind es eben fast 98 Prozent.

Die Topteams sahnen ab, für die kleineren Teams bleibt immer weniger. Allen Änderungen des Punkteschemas zum Trotz. Das Entscheidende ist, dass die Zuverlässigkeitsquote immer besser wird. Heute fällt kaum noch ein Auto aus, vor allem an der Spitze. Max Verstappen war vor seinem Ausfall in Saudi-Arabien 43-mal in Folge im Ziel – und in den Punkten. Nur Lewis Hamilton hat mit 48 Rennen eine längere Serie vorzuweisen, aber die ist auch erst vier Jahre alt.

Die längste Serie vor dem 21. Jahrhundert hatte Niki Lauda, als er zwischen Monaco 1975 und Schweden 1976 insgesamt 17-mal in Folge im Ziel war. In den 1990er Jahren hielt Eddie Irvine den Rekord, mit 13-mal in Folge in der Saison 1999.

Punkte für alle Fahrer?

Das ist ein himmelweiter Unterschied zu heute. Weniger Ausfälle bedeuten logischerweise weniger Chancen auf Punkte für die kleinen Teams.

Und deswegen soll jetzt das Punkteformat wieder geändert werden. Diskutiert wird über zwölf statt zehn Fahrer in den Punkten – nach dem Schema 25-18-15-12-10-8-6-5-4-3-2-1.

Max Verstappen

Ist die Formel 1 bald mit einem neuen Punktesystem unterwegs?

Bild: Red Bull Content Pool

Nach all den Zahlen scheint das gerechtfertigt. Und doch sorgt diese geplante Änderung auch im Fahrerfeld für Diskussionen. Selbst der bisher punktlose Alpine-Fahrer Pierre Gasly gibt zu: “Wenn wir keine Punkte holen, dann müssen wir einfach härter arbeiten.“

Anders sieht es Haas-Pilot Kevin Magnussen: “Ich würde sogar für alle Fahrer Punkte vergeben. In der Tabelle wird das zwar kaum was ändern, aber es lohnt sich dann wenigstens für jeden Platz zu kämpfen.“

Minardi mit Rekord

Anderseits: Punkte werden so entwertet. Nach dem neuen Plan hätten alle zehn Teams schon gepunktet. Ein Zähler ist kaum mehr was wert.

Heute ist das anders: Nico Hülkenberg konnte in China als Zehnter nur deswegen punkten, weil einer aus den Top-5-Teams patzte (Lance Stroll). Aber auch, weil er eben der Beste aus dem zweiten Teil des Feldes war. Das ist mehr wert, als wenn noch zwei weitere Fahrer gepunktet hätten. Für all seine vier Punkte musste Hülkenberg hart kämpfen. Nach dem geplanten Reglement hätte er zwölf Zähler – die aber unterm Strich auch nicht mehr wert wären.

Als gutes Beispiel eignet sich Minardi. Kein Team blieb in den vergangenen 40 Jahren öfter ohne WM-Punkte als die italienische Mannschaft. In zehn Jahren stand in der Endabrechnung eine Null hinter Minardi. Aber wenn Minardi einen Zähler holte, dann wurde das von Team, Fahrer und Fans gefeiert. Nach Mark Webbers zwei Zählern und fünften Platz in Australien 2002 kletterte er mit Teamchef Paul Stoddart sogar aufs Siegertreppchen.

Es sind emotionale Sport-Momente, die mit einem inflationärem Punktesystem wegfallen würden.

Teams am häufigsten ohne Punkte in der Konstrukteurs-WM

1. Minardi 10
2. Osella 6
3. Coloni 5
3. Marussia 5
3. Caterham 5
6. AGS 4
6. Zakspeed 4
8. EuroBrun 3
8. Ligier 3
8. HRT 3