Die Formel 1 ist oft schonungslos. Das musste Daniel Ricciardo beim Singapur-GP hautnah erfahren. Der achtfache Grand-Prix-Sieger verlor nach dem Nachtrennen sein F1-Cockpit bei den Racing Bulls, nachdem er beim kleinen Red-Bull-Team ein Jahr lang eine zweite Chance bekam. Eine dritte wird es wohl nicht geben, denn Ricciardo scheint mit der Königsklasse abgeschlossen zu haben.

Doch Ricciardo steht nicht alleine da: Das muntere Kommen und Gehen auf dem Fahrermarkt fordert praktisch jährlich seine Opfer und beendet Formel-1-Karrieren. Einige hören nach dem Aus komplett mit dem Rennfahren auf, andere versuchen sich nochmal in anderen Serien. Nur wenige kommen zurück. Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick auf die jüngere Vergangenheit: Was wurde aus den letzten Fahrern, die aus der Formel 1 geflogen sind?

Logan Sargeant: Zweite Chance IndyCar?

Logan Sargeant hatte nach seinem Rauswurf aus der Formel 1 vor etwas mehr als einem Monat schnell einen Plan B zur Hand: IndyCar. Bereits beim Saisonfinale in Nashville war Sargeant bei der US-Formelserie zu Gast. Am 19. November wird der ehemalige Williams-Pilot auf der Strecke in Thermal (Kalifornien) einen IndyCar-Test für Meyer Shank Racing absolvieren. Neben dem Team, das für 2025 seine beiden Charter-Plätze bereits besetzt hat, haben eine Reihe weiterer Rennställe ein Auge auf ihn geworfen. Daly Coyne Racing und Neueinsteiger Prema (bekannt aus zahlreichen Nachwuchs-Formelserien) gelten als Favoriten.

Nyck de Vries: Ex-Weltmeister tanzt auf zwei Hochzeiten

So schnell Nyck de Vries in ein Formel-1-Stammcockpit 2023 kam, so schnell war seine F1-Laufbahn auch wieder vorbei. De Vries kehrte nach seinem Aus für Daniel Ricciardo wieder dorthin zurück, wo er hergekommen war, nämlich in die Formel E. Dort landete der ehemalige Weltmeister von 2020/21 mit Mahindra in seiner Comeback-Saison nur auf Tabellenrang 18. Der Fokus liegt aber in der Zwischenzeit auf der Langstrecke. Dort ergatterte sich de Vries 2024 ein lukratives Cockpit bei Dauer-Weltmeister Toyota. Im Fahrzeug mit der Nummer 7 verpasste er in diesem Jahr den Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans nur knapp und gewann das 6-Stunden-Rennen in Imola. Ein Rennen vor Schluss verfügen er und Teamkollege Kamui Kobayashi noch über theoretische WM-Chancen.

Nicholas Latifi: Studium statt Rennfahrer-Karriere

Drei Jahre durfte sich Nicholas Latifi im Rampenlicht der Formel 1 sonnen, bis ihn auch die finanziellen Argumente 2022 nicht mehr beim Hinterbänkler-Team Williams halten konnten. Drei Punkteresultate in drei Jahren war dann doch zu wenig. Die Rennfahrer-Handschuhe hat der direkte Vorgänger von Sergeant inzwischen abgelegt, denn seit seinem F1-Aus bestritt er kein einziges Rennen mehr. Stattdessen absolviert er seit 2023 ein Management-Studium (MBA) an der London Business School.

Mick Schumacher: Die Formel-1-Tür ist noch einen schmalen Spalt weit offen

Mit dem Traum von der Formel 1 hat Mick Schumacher noch nicht abgeschlossen. Der einstige Haas-Pilot sitzt seit seinem Aus 2022 bei Mercedes als Reserve auf der Ersatzbank und scheint für 2025 ebenfalls kein Comeback zu erhalten, nachdem er bei einem internen Test um das Alpine-Cockpit gegen Jack Doohan den Kürzeren zog. Alpine ist auch im Moment sein Arbeitgeber. Für die Franzosen startet Schumacher in der Langstrecken-WM WEC und kann dort mit überzeugenden Leistungen glänzen, wie einem Podium in Fuji, das maßgeblich auf seine Kappe ging. Der Zug für eine Formel-1-Rückkehr ist mit dem offenen Sauber-Cockpit noch nicht ganz abgefahren, aber Schumachers Aussichten, darauf noch aufspringen zu können, stehen eher schlecht.

Nikita Mazepin: Motorsport und noch vieles mehr

Nikita Mazepin flog kurz vor Beginn der Saison 2022 aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine gemeinsam mit Sponsor Uralkali bei Haas raus. In der internationalen Rennszene tauchte er seitdem nur in der Asian Le Mans Series auf. Abgesehen davon sitzt er vor allem in seinem Heimatland am Steuer aller erdenklichen Fahrzeuge – von Motorrädern bis Rally-Raid-Buggys. Motorsport ist jedoch nur eine Beschäftigung, die Mazepin ausübt. Er gab seit seinem Formel-1-Aus auch schon Auftritte als DJ und führt seit 2022 eine gemeinnützige Organisation für Sportler, die aus nicht-sportlichen Gründen von der Teilnahme an internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen sind. Die Zielgruppe sind vor allem Russen und Belarussen.

Antonio Giovinazzi: Vom F1-Rausflieger zum Le-Mans-Sieger

Nach seinem Formel-1-Aus bei Alfa Romeo 2021 legte Antonio Giovinazzi eine Karriere hin, die starke Parallelen zur Post-F1-Karriere von Nyck de Vries hat. Auch der Italiener ging ohne viel Erfolg in die Formel E, dann aber mit umso mehr Erfolg in die WEC. In der Elektro-Serie scheiterte Giovinazzi nicht nur am unterlegenen Penske-Dragon, sondern auch an Teamkollege Sergio Sette Camara. In Le Mans räumte er dafür bei seinem ersten Hypercar-Antritt mit Ferrari gleich voll ab und gewann an der Seite von James Calado und Alessandro Pier Guidi das 24-Stunden-Rennen. Im Gegensatz zu de Vries hat er der Formel E nach einem Jahr den Rücken gekehrt, auf der Langstrecke zählt er nach wie vor zu den Stammfahrern der Scuderia.

Antonio Giovinazzi feiert mit seinen beiden Teamkollegen den 24h-Sieg in Le Mans, Foto: Ferrari
Antonio Giovinazzi feiert mit seinen beiden Teamkollegen den 24h-Sieg in Le Mans, Foto: Ferrari

Kevin Magnussen: 2. Formel-1-Chance vorbei?

Kevin Magnussen schien bereits 2020 der Formel 1 Lebewohl sagen zu müssen. Doch er ist der Beweis dafür, dass sich die Formel-1-Tür auch wieder öffnen kann. nach seinem Aus bei Haas wechselte er in die nordamerikanische Sportwagen-Meisterschaft IMSA. Auch in der WEC stand er bereits vor einem Debüt mit Peugeot, ehe das Aus von Mazepin dazwischenkam und Kevin Magnussen bei Haas eine unverhoffte zweite Formel-1-Chance offeriert wurde. Nach drei Saisons, die er mit einer Pole Position in Brasilien krönte, verschwindet er nach 2024 wohl wieder aus der Königsklasse. 2025 will er weiter Rennen fahren – in welcher Serie er das machen wird, ist aber noch offen.

Romain Grosjean: Auch im IndyCar sieglos

Romain Grosjean verlor sein Formel-1-Cockpit 2020 gleichzeitig mit seinem damaligen Haas-Teamkollegen Kevin Magnussen. Er fand in der IndyCar seitdem ein längerfristiges Zuhause, das er mit einer Pole und einem Podium in seinem erst dritten Rennen stark einweihte. Doch seitdem blieb er seinem chaotischen Rennfahrer-Naturell, das ihn schon in der Formel 1 oft zum Verhängnis wurde, treu. Einerseits zeigte er regelmäßig starke Leistungen, andererseits leistete er sich dann wieder haarsträubende Fehler und Unfälle. In vier Jahren Indycar stand er bisher fünfmal auf Rang 2, gewann aber noch kein Rennen.

Daniil Kvyat: Zwischen NASCAR und Langstrecke

Für Daniil Kvyat endete 2020 bereits seine zweite Chance in der Formel 1. Der ehemalige Red-Bull-Fahrer hielt sich aber noch ein Jahr in der Umlaufbahn der Königsklasse, und zwar als Testfahrer für Alpine. Anschließend warf er sein Auge auf die Langstrecken-WM. Nachdem die Sanktionen gegen russische Fahrer 2022 noch einen WEC-Start verhindert hatten, startete er 2023 für Prema in der LMP2-Klasse und ist seit diesem Jahr Hypercar-Werksfahrer bei Lamborghini. Seit 2022 ging er zudem unregelmäßig bei einigen Rundkurs-Rennen in den zwei höchsten NASCAR-Serien an den Start.

Daniil Kvyat fährt inzwischen für Lamborghini in der WEC, Foto: Lamborghini
Daniil Kvyat fährt inzwischen für Lamborghini in der WEC, Foto: Lamborghini

Robert Kubica: Der lange Weg aus der Formel 1 nach Le Mans

Robert Kubicas hart erarbeitetes F1-Comeback sieben Jahre nach seinem Rallye-Unfall war 2019 nach nur einer Saison, in der er hoffnungslos unterlegen war, beendet. Anschließend versuchte sich der Pole an der DTM, wo er abgesehen von einem etwas glücklichen Podium keine Erfolge vorweisen konnte. In der Formel 1 kam Kubica 2021 noch zu zwei Reserve-Auftritten für den an Covid-19 erkrankten Kimi Räikkönen. Sesshaft wurde Kubica erst auf der Langstrecke. LMP2-Titel in der ELMS und in der WEC brachten ihm für 2024 ein Cockpit im AF-Corse-Kundenauto von Ferrari in der Topklasse der Langstrecken-WM ein. Mit seinen beiden Teamkollegen gewann er Anfang September das 6h-Rennen in Austin.

Daniel Ricciardo musste nach Singapur seine Sachen packen. Für ihn springt ab dem Formel-1-Rennen in Austin Liam Lawson ins Cockpit, der schon im Vorjahr Ricciardo verletzungsbedingt ersetzt hatte. Fix ist sein Verbleib für 2025 aber noch nicht. Warum erfahrt ihr im Video:

Ricciardo raus, Lawson rein! Wie geht es 2025 weiter? (08:02 Min.)