Das Verhältnis von Sport und Politik ist seit jeher ein ambivalentes. Das Mantra, dass diese beiden Gesellschaftszweige strikt voneinander getrennt gehören, ist ein fragiles Konstrukt und zerbricht nicht selten an der harten Realität. Klar, bei einem Event von der Größenordnung eines Formel-1-Rennens muss man sich mit den Entscheidungsträgern eines Landes arrangieren. Ohne entsprechende Rückendeckung aus der Politik sind sportliche Großereignisse häufig nicht zu stemmen.

Daraus entstehen notwendige Zweckbündnisse, die die sportliche Show überhaupt erst ermöglichen. Wenn dann ein amtierender Premierminister, Präsident oder sonstiger Würdenträger einem Grand Prix einen Besuch abstattet, dann tut er das als Repräsentant des Austragungslandes. Das mag auch nicht immer ohne Kritik sein, aber es besitzt zumindest eine gute Argumentations-Grundlage. Doch mit Donald Trump trat nicht etwa ein Staatsmann, der sein Amt und somit seine Nation repräsentierte, bei der Formel 1 in Miami auf, sondern ein Wahlkämpfer.

Wahlkampf im Formel-1-Paddock

Bilder mit McLaren-CEO Zak Brown, Bilder mit FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem, Bilder mit dem Rennsieger Lando Norris, dem Trump als Gratulant die Hand schüttelte, Handshake mit den Grid Kids. Genau so sieht Wahlkampf aus. Und Wahlkampf mag an vielen Orten etwas verloren haben, aber doch bitte nicht in unserer Formel 1.

Dabei ist es mir wichtig zu betonen: Es geht nicht um die Politik des ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Zu der darf und soll jeder stehen, wie er will – so wie sich das in einer Demokratie gehört. Der Auftritt wäre ähnlich deplatziert gewesen, wenn ein Politiker einer anderen Partei diese Bühne in dieser Art und Weise für sich genutzt hätte. Dennoch kommt erschwerend hinzu, dass es sich bei Trump nicht um einen ‘normalen’ F1-Gast handelt, sondern um jemanden, dem in einer Reihe an Prozessen derzeit nicht weniger als 91 Straftaten zur Last gelegt werden.

Natürlich gilt in sämtlichen Fällen die Unschuldsvermutung, aber wenn man eine derartig streitbare Persönlichkeit hofiert, dann öffnet man sämtlicher Kritik einer politischen und moralischen Positionierung Tür und Tor. Kritik, die sich auch durch eine Erklärung des Teams, dass man eine nicht-politische Organisation ist und nur einer Anfrage nachgekommen sei, nicht einfach vom Tisch wischen lässt. Die offiziellen F1-Vertreter hielten sich gegenüber Trump zurück, eine Behauptung, die McLaren nicht für sich beanspruchen kann.

Man muss der TV-Übertragung der Formel 1 in Miami zugutehalten, dass Trump nur am Rande gezeigt wurde. Aber in Zeiten von Social Media ist diese Plattform eben nur das eine, X, Instagram und Co. das andere. Und dort gingen die Bilder des republikanischen Präsidentschaftskandidaten eben um die Welt.

Wo ist die Neutralität?

Dass McLaren ausgerechnet am Tag des größten Erfolges der letzten drei Jahre als Steigbügelhalter für eine politische Inszenierung herhielt, ist natürlich erst recht ungünstig. Der lang ersehnte erste Sieg von Lando Norris, schattiert von einem bizarr anmutenden Polit-Auftritt. Das wird diesem emotionalen Ereignis nicht gerecht. Und es schädigt vor allem das Ansehen des Sports.

Neutralität erhalten! Das ist nicht meine Forderung, sondern ein verbriefter Grundsatz in den Statuten der FIA, der es sogar bis in den internationalen Sportkodex des Weltverbandes geschafft hat. Die gleiche FIA, deren Präsident am Sonntag mit Trump posierte, während dieser eine Baseball-Kappe mit dem berühmten Schriftzug “Make America Great Again” auf dem Kopf trug, verbietet es seit 2022 den Formel-1-Fahrern politische Statements und Meinungsbekundungen bei den Rennwochenenden zu setzen – diese müssen vorher genehmigt werden. Für Gäste von F1-Teams gilt dieses Prinzip offenbar nicht.

Ja, Sport mag nicht immer leicht von Politik zu trennen sein. Aber es muss dennoch der Anspruch einer Weltmeisterschaft wie der Formel 1 und auch der FIA sein, es so gut es geht zu versuchen. Wenn ich die Formel 1 in Miami anschaue, will ich keine Präsidentschafts-Kandidaten sehen, genausowenig wie ich in zwei Wochen in Imola Spitzenkandidaten für die EU-Wahl sehen will. Wahlkampf gehört in die Tagesschau, nicht auf die Rennstrecke!