Ungestüm und ungeduldig. George Russell wurde nach dem Kanada-GP vielfach kritisiert. Mehrere Fehler nahmen dem Mercedes-Fahrer jegliche Chance auf den Sieg. Zuerst der Fehler in Runde 21, als er seine Führung an Lando Norris verlor. Russell kam von der Strecke ab und öffnete die Tür für Max Verstappen, der sich mit einem Überholmanöver bedankte. Dann der Fehler im Schlusssprint. Ein Ausritt in die Auslaufzone nach der Attacke gegen Oscar Piastri kostete wertvolle Zeit und zwischenzeitlich sogar eine Position an Lewis Hamilton.

Der Ärger war bei Russell nach dem Rennen in Montreal groß. Obwohl auch die Mercedes-Strategie beim Kanada-GP suboptimal war, fand der Brite das größte Problem bei sich selbst: Es sei ein Fehler zu viel gewesen, um um den Sieg zu kämpfen.

“Das, was George in Kanada am meisten geärgert hat, war, dass er sich über sich selbst ärgern musste”, so MSM-Experte Christian Danner. “Er hat ganz klar gesehen, dass er selbst riesigen Bock gebaut. Das hat er eigentlich weggeworfen, da war mehr drin.”

George Russell bald auf Niveau von Max Verstappen?

Zu viele Fehler, die Siege und wichtige Punkte verschenken. Nicht nur beim Kanada-GP. In Australien ließ sich Russell auf der vorletzten Runde von Fernando Alonso irritieren und flog gefährlich ab. Schlimmer noch Singapur 2023. Dort crashte der Brite in der letzten Runde auf P2, während er Carlos Sainz für den Sieg jagte. Diese Beispiele klingen nach Ungeduld und Überholen um jeden Preis, mit Brechstange oder eben Crash. Kann Mercedes sich leisten, mit einem solchen Nummer-1-Fahrer in die nächste Saison zu gehen?

Danner sieht im AvD Motorsport-Magazin eine Parallele zu Max Verstappen, dem die Transformation vom hitzköpfigen Crash-Piloten zur eiskalten Renn-Maschine gelang. “Ich glaube, dass der Vergleich mit Verstappen der richtige ist”, sagt der Ex-Pilot. “Denn Leute, die intelligent sind, die offen sind, sich selbst weiterzuentwickeln, so wie Max Verstappen, haben einen Vorteil und so schätze ich auch George Russell ein.”

George Russell (Mercedes) vor Max Verstappen (Red Bull) beim Formel-1-GP in Montreal (Kanada) 2024.
Russell holte in Kanada trotz Poleposition nur P3, Foto: LAT Images

Der Mercedes-Pilot mag zwar jetzt noch fehleranfällig sein, besonders unter Druck, aber Christian Danner glaubt an die Verbesserung: “Ja, er ist ein bisschen ungestüm gewesen. Er macht zu viele Fehler, aber da ist noch Luft nach oben, was das Lernpotenzial angeht. Das, was Russell jetzt noch braucht, ist eine gewisse Gelassenheit. Und dann kommt das, was wir bei Verstappen schon gesehen haben, nämlich makellose, fehlerlose Grands Prix fahren zu können.”

Ein Punkt, den der Mercedes-Pilot noch nicht erreicht hat, aber erreichen könnte. Mit dem richtigen Zuspruch. “So weit ist Russell noch nicht”, so der MSM-Experte. “Vielleicht ist er da ein bisschen zu ungeduldig, aber dafür gibt es ja Leute, mit denen man darüber reden kann. Und wenn es Toto Wolff ist.”

Das komplette Gespräch mit unserem Motorsport-Experten Christian Danner, inklusive seiner Meinung zum Formel-1-Auto für 2026 und Detail-Analysen zum Kräfteverhältnis zwischen Ferrari und Mercedes, gibt es hier im Video:

Mercedes schlägt zurück! Bereut Hamilton den Ferrari-Wechsel? (29:20 Min.)

Toto Wolff – Die Stimme der Vernunft

Der Mercedes-Teamchef höchstpersönlich meldete sich während des Kanada-GPs bei Russell am Funk. “Konzentrier dich George, konzentrier dich”, erinnerte er den Fahrer, nachdem der Brite in Runde 51 die kurz zuvor gewonnene Position wegen eines neuerlichen Fehlers wieder an Lando Norris verlor.

“Toto hat ja gesagt, ich kenne meinen George”, weiß Christian Danner über diese Situation Bescheid. “Logisch, die wohnen nebeneinander in Monaco, die sehen sich nicht nur an der Rennstrecke. Er kennt ihn natürlich von vor langer Zeit. Und er hat gesagt, er mischt sich immer dann am Funk ein, weil er genau gemerkt hat, jetzt wird er wieder ein bisschen hippelig und zappelig. Jetzt muss ich eingreifen.”

Toto Wolff im Gespräch mit seinem Fahrer George Russell
Toto Wolff und George Russell kennen sich gut, Foto: LAT Images

Genau von solchen Zusprüchen und Ermahnungen im richtigen Moment, könne der Mercedes-Pilot lernen, um weniger ungestüm zu agieren. “Ich glaube, wenn man darauf aufbaut, dann hat Russell schon die Möglichkeit, sich da weiterzuentwickeln”, meint Danner. “Ich glaube, das [fehleranfällige Fahren] wird er ablegen.”