Es war eigentlich ein richtig gutes Rennen von Ferrari, und erst recht von Charles Leclerc. Auf dem überholfeindlichen Marina Bay Street Circuit glänzte er gar mit vier echten Überholmanövern. Was die Stimmung trübt, ist das Ergebnis. Fünfter Platz für Leclerc, siebter Platz für Carlos Sainz – da hatte man sich vor dem Wochenende um einiges mehr ausgerechnet. Schlimmer noch: Das Rennen impliziert, dass man das zurecht tat.

Dass Leclerc einmal Nico Hülkenberg, zweimal Fernando Alonso und einmal Lewis Hamilton überholte, das allein untermauert die Stärke des Ferrari im Renntrimm. “Heute haben wir nichts verpasst, das lag ganz klar an Q3”, bilanziert Teamchef Fred Vasseur. Für beide Fahrer wiegt schwer, dass sie am Samstag im dritten Qualifying-Segment gepatzt und sich per Track-Limit-Verstoß und Crash die Startplätze neun und zehn eingehandelt hatten.

“Bis Q2 waren wir ganz klar so schnell wie Lando”, schielt Vasseur auf den letztendlich dominanten Rennsieger Lando Norris. Diesen Eindruck hatte Leclerc mit starken Trainings am Freitag mehr als unterstützt. Die Qualifying-Patzer wiegen in Singapur-GP extra schwer: “Wenn du dann in Singapur von neun und zehn losfahren musst, ist es fast vorbei.”

Ferrari machte noch das Beste aus dem starken Paket. Auch wenn Leclerc seine ersten 25 Runden auf dem achten Platz im Schlepptau von Nico Hülkenberg und Fernando Alonso als Albtraum bezeichnet: “Ich bin nur hinter Fernando und Nico festgesteckt und habe gehofft, dass sie bald stoppen müssen, weil sie Druck von hinten bekommen. Aber das passierte nie. Sie sind sehr lange gefahren.”

Charles Leclerc fängt trotz riesigem Defizit Mercedes noch ab

Als Leclerc schließlich in Runde 25 Alonso und in Runde 28 Hülkenberg überholte, unterstrich er, wie überlegen der Ferrari zumindest dem Mittelfeld gegenüber war. In freier Fahrt zögerte Ferrari seinen einzigen Boxenstopp bis Runde 36 hinaus, um ihn dann für den Endkampf mit deutlich frischeren Hard-Reifen relativ zur direkten Konkurrenz auszurüsten.

Diese Konkurrenz hieß Mercedes. Auf sie hatte Leclerc eigentlich im Bummelzug und durch seinen späteren Stopp in Runde 37 schon einen gigantischen Rückstand aufgerissen – 23 Sekunden auf Lewis Hamilton, 27 auf George Russell. Nach seinem Stopp musste Leclerc Alonso noch einmal überholen, dann drehte er auf. Bis Runde 49 hatte er Hamilton eingeholt. In Runde 50 ging er vorbei.

Beinahe hätte Leclerc sogar Russell noch den vierten Platz entrissen. Aufschließen konnte er noch, für einen letzten Angriff fehlte ihm aber dann doch auf seinen langsam alt werdenden Reifen der Grip. Trotz dieser Galavorstellung zweifelt Leclerc an seinen Chancen gegen Norris oder den zweitplatzierten Max Verstappen: “Wenn ich mir die Pace von McLaren und von Max anschaue, dann weiß ich nicht, wie viele Punkte wir verpasst haben.”

Carlos Sainz muss noch mehr Schaden begrenzen: Schlechter Start kommt dazu

Definitiv mehr Punkte verpasste Carlos Sainz. Sein Start ging schief: “Da machte ein Williams ein Banzai-Manöver, und wir haben viel in der Weltmeisterschaft zu verlieren.” Sainz steckte zurück, und war nur mehr Zwölfter. Ferrari versuchte das Problem mit einem aggressiven frühen Reifenwechsel in Runde 13 zu lösen, und per Undercut das komplette Mittelfeld auszustechen.

Diese alternative Strategie klappte sogar, auch wenn Sainz hintenraus nicht mehr viel Reifengrip übrighatte. Er hatte nämlich noch mehr Mittelfeld-Autos überholen müssen. Trotzdem – er stoppte vier Runden früher als Hamilton, musste relativ zum Mercedes drei zusätzliche Autos überholen, und war am Ende des Rennens trotzdem immer noch nur 10 Sekunden dahinter auf P7. Genau der Abstand, der die beiden in Runde 17 getrennt hatte.

Für Sainz ist klar: “Die letzten Rennen waren einige verpasste Chancen, und ich bin nicht glücklich darüber, wie die Dinge da abgelaufen sind.” In der Konstrukteurs-WM hat das Ferrari ins Hintertreffen bugsiert. “Ich sehe uns nicht gerade in dem Kampf, außer sie machen Fehler”, meint Leclerc.

Vor Baku war es noch ein Dreikampf. Dann scheiterte Leclerc am Baku-Sieg, Sainz crashte. Jetzt Singapur. Plötzlich fehlen schon 75 Punkte auf McLaren. Immerhin: Auch Red Bull verwertete die letzten Chancen schlecht. Sie liegen 34 Zähler vor Ferrari.