Die Saga rund um den (zu) beweglichen McLaren-Heckflügel nimmt eine entscheidende Wendung: Wie die FIA am Freitag in Singapur bestätigte, muss der Rennstall ‘kleinere Änderungen’ am Heckflügel vornehmen. Zuvor hatten die Beteiligten darauf beharrt, dass alle Belastungstests stets bestanden wurden.

Ferrari und Red Bull liefen nach dem Aserbaidschan GP aber Sturm. Videomaterial aus dem Rennen zeigte klar, wie sich die Enden des oberen Flügelelements ab einer bestimmten Geschwindigkeit bei geschlossenem DRS nach oben klappten und so offenbar den Luftwiderstand reduzierten.

Im Technischen Reglement ist einerseits festgeschrieben, dass sich aerodynamische Komponenten auch unter Last nicht verformen dürfen. Weil kein Bauteil unendlich steif ist und ab gewissen Kräften immer Verformungen auftreten, gibt es spezielle Belastungstests. Auf 3,5 Seiten wird genau definiert, wie stark sich welche Komponenten unter welchen Lasten verformen dürfen.

McLaren bestand all diese Tests, schaffte es aber offenbar trotzdem, den Heckflügel-Flap kontrolliert aufklappen zu lassen. Bei niedrigen Geschwindigkeiten liefert der Flügel so nach wie vor den gewünschten Abtrieb, bei hohen Geschwindigkeiten, wenn der Abtrieb auf den Geraden nicht benötigt wird, verringert sich der Luftwiderstand.

Obwohl McLarens Geschwindigkeitswerte in Baku nicht ungewöhnlich waren, witterten Ferrari und Red Bull Betrug. Charles Leclerc bezeichnete den Flügel als “zumindest kontrovers”, Sergio Perez sprach sogar – auch wenn das von Red Bull später fälschlicherweise dementiert wurde – von einem illegalen McLaren.

Bei der Konkurrenz ist man trotz Konsequenzen nicht ganz zufrieden – schließlich hatte McLaren den Vorteil bereits. “Es ist mehr als grenzwertig”, ärgert sich Ferrari-Teamchef Fred Vasseur. “Es ist frustrierend: Ich erinnere mich noch perfekt an Monza, als wir fünf Autos innerhalb von wenigen Hundertstel hatten. In Baku sind wir zehn Runden in Folge nebeneinander in Kurve 1 gefahren. Da kann man sich vorstellen, dass wir etwas frustriert sind.” Einen Protest wollte Ferrari nach Baku aber nicht einlegen. “Es ist schwierig, die Beweise dafür vorzulegen”, erklärt Vasseur.

McLaren: Auch andere Teams sollen nachbessern

Auch wenn die Tests bestanden werden, behält sich die FIA ein Eingreifen und Verschärfungen der Regeln vor. Zu oft haben die Teams in der Vergangenheit schon mit den Grenzen des Reglements gespielt. Die FIA will dadurch verhindern, dass die Aero-Elemente die statischen Tests bestehen, dann aber auf der Rennstrecke trotzdem gewollte Verformungen erfahren.

Wie genau McLaren nachbessern muss, ist noch nicht bekannt. Nach Angaben des Teams habe man nach Konversationen mit der FIA ‘proaktiv’ angeboten, kleinere Anpassungen vorzunehmen. “Wir erwarten aber auch, dass die FIA ähnliche Gespräche mit anderen Teams in Bezug auf die Regelkonformität ihrer Heckflügel führt”, heißt es von McLaren.

Ferrari: Heckflügel keine Grauzone, Frontflügel vielleicht…

Es ist nicht die erste Kontroverse rund um bewegliche aerodynamische Bauteile in der Formel-1-Saison 2024. Red-Bull-Teamchef Christian Horner zweifelte bereits mehrmals öffentlich die Frontflügel-Konstruktionen von McLaren und Mercedes an. “Es gibt da vielleicht etwas Konfusion über das, was bei den Frontflügel und das, was bei den Heckflügel passiert ist”, stellt Ferrari-Kollege Vasseur klar.

“Beim Frontflügel sind wir uns einig, dass das ein Graubereich sein könnte. Im ersten Absatz der Technischen Direktive steht, dass man kein Teil des Autos mit der Intention der Verformung designen darf. Die Absicht lässt sich schwer managen”, meint Vasseur. “Beim Heckflügel ist das eine komplett andere Geschichte. Da ist es schwarz oder weiß. Es ist nicht grau oder hellgrau. Es ist schwarz. Für mich ist das klar.”

Beim Frontflügel sammelt die FIA seit dem Großen Preis von Belgien genauere Daten. Am Freitag müssen an jedem Wochenende unterschiedliche Teams mit speziellen FIA-Kameras an der Nase fahren, die die Verformung der Frontflügel im Detail aufzeichnen. Änderungen am Reglement werden hier in der laufenden Saison nicht erwartet, die FIA will sich aber für mögliche Anpassungen in Zukunft ein genaues Bild machen.