Adrian Newey – das bestimmende Thema des Formel-1-Wochenendes in Miami macht auch am Freitag nicht Halt. Erstmals hat sich nun Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko beim ORF zum Abgang von Star-Designer Newey geäußert. Während alle anderen darüber diskutieren, ob er zu Ferrari, Aston Martin oder doch Mercedes geht, stellt der Österreicher auch eine Ruhepause des Superhirns in den Raum.

Geht Newey 2025 in die F1-Rente?

“Es hat sich abgezeichnet, dass Adrian Newey eine Art Burnout-Erscheinung hatte, aber dass es jetzt so rasch passiert, hat auch mich überrascht”, gesteht Marko am ORF-Mikrofon. Laut ihm habe es Gespräche zwischen Newey und Oliver Mintzlaff, Geschäftsführung der Red Bull GmbH, gegeben, die das Design-Genie zum Verbleib beim Team bewegen sollten. “Aber die Entscheidung von Newey hat festgestanden und wenn jemand nicht mehr das richtige Animo, den Geist für den Rennsport hat, dann hilft das nichts. Man hat sich also gütig geeinigt auf einen Abgang, der für beide Seiten zufriedenstellend war.”

Damit lässt Marko hinsichtlich Neweys Zukunft durchblicken, dass nicht sicher ist, ob er in der Saison 2025 und darüber hinaus überhaupt noch F1-Wagen designen wird. Glaubt man den Gerüchten, so sei Newey bereits in intensiven Gesprächen mit Ferrari für eine Zusammenarbeit ab 2025. Auch für Aston Martin könnte er vor allem wegen seiner Verbindung zum früheren Teambesitzer Eddie Jordan eine interessante Option sein. Von Ruhestand jedoch sprach bisher niemand.

Niemand außer Christian Horner. Denn auch er griff im Interview mit Sky Sports UK zu ähnlichen Worten über die harte Arbeit und einen Abschied Neweys nicht nur von Red Bull, sondern von der ganzen Formel 1: “Adrian, er hat eine wunderbare Karriere gehabt, er hat in den letzten 30 Jahren hart gearbeitet. Sieben Jahre bei Williams, sieben Jahre bei McLaren und dann hat er den größten Teil von 20 Jahren bei uns verbracht. Ich denke, er wird zuerst eine Auszeit nehmen. Er ist 65 Jahre alt und ich denke, er hat sich das Recht verdient, etwas Zeit zu haben, um mit seiner Frau und seiner Familie zusammen zu sein.”

Schon am Donnerstag des Miami GP gab es im Fahrerlager kaum ein anderes Thema als Adrian Neweys Trennung von Red Bull Racing. Die wichtigsten Statements von Verstappen und Co. fasst Christian für euch in diesem Video zusammen:

Newey weg, geht auch Verstappen? Red Bull vor F1-Zerreißprobe! (13:06 Min.)

Im Vergleich zu seinen beiden Fahrern, die dem Verlust ihres Auto-Designers keine allzu große Bedeutung beimaßen, zeigt Marko größeres Bedauern über den Weggang von Newey: “Wenn man einen sehr intelligenten, wertvollen Mitarbeiter verliert, den man jederzeit mit allen Angelegenheiten oder Problemen ansprechen konnte, wenn jemand so lange im Team war und solche Erfolge hatte und vor allem auf alle Probleme Antworten hatte, dann ist das natürlich ein gewisser Verlust.”

“Aber wir müssen das hinnehmen. Wenn er persönlich sagt, es ist bei ihm die Luft raus und er braucht eine Phase für die Regeneration, das muss man akzeptieren”, bringt Marko am ORF- Mikrofon weiter Verständnis für seinen renommierten Mitarbeiter auf.

Marko: Newey-Abgang für Red Bull nicht gravierend

Trotz der Würdigung von Neweys Qualitäten macht sich der Motorsportchef keine Sorgen, dass Red Bull in Zukunft performancemäßig zurückfallen wird. “Man muss sagen, dass das Techniker-Team inzwischen sehr breit aufgestellt ist, dass sehr viel junge Leute gekommen sind, aber auch erfahrene wie Pierre Waché oder Enrico [Balbo; Anm. d. Red.]. Ich glaube, dass der Abgang nicht gravierend ist”, beschwichtigt Marko die kursierenden Behauptungen, dass Newey der alleinige Erfolgsfaktor von Red Bull Racing sei und sich bald Anzeichen seines Fehlens bemerkbar machen könnten.

Während Helmut Marko durch die Trennung von Newey keine Gefahr für weitere Erfolge fürchtet, schätzt McLaren-CEO Zak Brown die Situation bei Red Bull ganz anders ein. Geht es nach ihm, könnte Neweys Abgang nur das erste Glied einer Kettenreaktion sein, die den Rennstall destabilisiert. Droht dem Wunder-Team der Zerfall? Brown schießt scharf gegen Horner. Alles zu Brown vs. Red Bull lest ihr hier:

Marko befindet sich damit auf derselben Argumentationslinie wie Max Verstappen und Sergio Perez am Donnerstag, die Red Bull ebenfalls auch ohne Newey gut aufgestellt sehen. Waché ist seit 2013 Teil von Red Bull Racing. Er kam damals als Chefingenieur und war auch für die Abteilung Fahrzeugdynamik verantwortlich. 2018 stieg er zum Technischen Direktor auf. Balbo ist Leiter der Aerodynamik-Abteilung bei Red Bull. Man darf also davon ausgehen, dass die nächste Ingenieuren-Generation unter Aerodynamik-Papst Newey bereits hervorragend angelernt wurde.

Zugleich bringt der Grazer beim ORF einen anderen Nutzen, den Newey für Red Bull gebracht haben soll, ins Spiel: “Es ist mehr auf der psychologischen Seite ein Vorteil gegenüber anderen Teams, Newey zu haben. Es war ein Vorteil, wenn man junge Ingenieure anheuerte, weil die alle mit Adrian arbeiten wollten.” Außerdem bemerkt Marko anerkennend: “Wenn es Reglement-Änderungen gegeben hat, war es in der Vergangenheit immer Adrian, der diese Änderungen am intelligentesten und effizientesten ausgelotet und auch umgesetzt hat.” Somit sieht er einen spürbaren Verlust Neweys am ehesten im Hinblick auf die Regeländerungen, die es 2026 in der Formel 1 geben wird.

“Generell gehe ich davon aus, dass es ein schmerzlicher Verlust ist, weil er eine außerordentliche Persönlichkeit war – der erfolgreichste Formel-1-Konstrukteur. Wir sind aber gewappnet und es wird, glaube ich, im Techniker-Team keine Rückschläge geben”, schließt Marko seine Ausführungen zu Newey und stellt den Kurs in Richtung einer zuversichtlichen Zukunft.

Red-Bull-Teamfeier beim Österreich Grand Prix 2023
Beim Österreich GP 2023 feierte das starke Red-Bull-Team noch voller Euphorie und Einigkeit, Foto: LAT Images